Lamentierende Legende

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(Marlon Brando, Los Angeles, 22.10 Uhr, ZDF) Schwammig, aufgedunsen bis zur Kugelform, sitzt Marlon Brando die meiste Zeit auf seiner Südseeinsel und hadert - mit Hollywood, den Produzenten seines letzten Films und nicht zuletzt mit sich selbst. Journalisten sind seine bevorzugten Haßobjekte; 16 Jahre lang hat er kein Interview gegeben . Die US-amerikanische Fernsehreporterin Connie Chung schaffte es im Oktober des letzten Jahres nach langjährigen vergeblichen Versuchen, den 65jährigen Dickschädel zu einem Gespräch vor der Kamera zu bewegen. Seine Schauspielkarriere begann Brando im Drama Workshop der New Yorker „New School for Social Research“. Am Broadway feierte er Triumphe als Stanley Kowalski in Tennessee Williams Endstation Sehnsucht. Elia Kazan, der auch die Uraufführung des Stückes inszeniert hatte, engagierte den jungen Schauspieler 1951 für seine Filmversion des Stoffes, die Brando eine „Oscar„-Nominierung einbrachte. Erst 1954 aber erhielt Brando den Academy Award tatsächlich, und zwar für Die Faust im Nacken, nach Endstation Sehnsucht und Viva Zapata! der dritte Film unter der Regie seines Förderers Elia Kazan. Mit den folgenden Rollen verabschiedete sich Brando vom Image des introvertierten „tough guy„; er spielte in der Shakespeare-Adaption Julius Cäsar den Mark Anton (und wurde erneut für den „Oscar“ nominiert), war Napoleon Bonaparte in Desiree, und er sang und tanzte (wenn auch etwas schwerfällig) neben Frank Sinatra und Jean Simmons in dem Musical Schwere Jungen, leichte Mädchen (Guys and Dolls). Er hatte die Bandbreite seines Könnens abgesteckt und spielte fortan in unterschiedlichsten Rollen für viele wichtige Regisseure der fünfziger und sechziger Jahre. 1961 versuchte er sich mit dem Film Der Besessene (One Eyed Jacks) selbst als Regisseur. Nach den Erfolgen mit Coppolas Der Pate (für den Brando seinen dritten „Oscar“ erhielt, den er aber mit Hinweis auf die Unterdrückung der Indianer zurücksandte) und Bertoluccis Der letzte Tango in Paris zog sich der alternde Star allmählich vom Filmgeschäft zurück. Spektakuläre Auftritte, die ihm trotz ihrer Kürze Millionengagen einbrachten, hatte er in Richard Donners Superman (1978) als Vater des Titelhelden und in Coppolas Apokalypse Now (1979) als Col. Kurtz. Um diese Rolle rankt sich die Legende, Brando habe sich mit schlanker Statur engagieren lassen, sei aber während des monatelangen Wartens auf seinen Einsatz so fett geworden, daß Coppola ihn, der Not folgend, in jenem sinistren Zwielicht filmte, das seine nicht zur Rolle passenden Speckpolster barmherzig verbarg und die Szene schließlich zu einer der eindrucksvollsten des gesamten Anti-Kriegsspektakels machte.

1980 drehte Brando mit Die Formel seinen vorerst letzten Film und trat erst 1988 für Weiße Zeit der Dürre wieder vor die Filmkameras. Mit den Produzenten dieses Anti -Apartheid-Films legte sich der Unduldsame gleich wieder an, weil sie angeblich eine Schnittfassung in die Kinos brachten, die nicht der ursprünglich geplanten entsprach und die politischen Intentionen verwässerte. Auch zu diesem Thema wird Brando gewiß Stellung beziehen im Gespräch mit Connie Chung, das mit Ausschnitten aus alten Brando-Filmen ergänzt wird.

Harald Keller