Polen: Ein Musterknabe des IWF wird aufgebaut

■ Milliarden-Kredite zur Unterstützung des kapitalistischen Reformprogramms

Washington (dpa/taz) - Der marktwirtschaftliche Reformprozeß in Polen zeitigt erste Früchte. Das von der Warschauer Regierung am 1.Januar diesen Jahres eingeleitete rigide Umstrukturierungsprogramm hat zwar bislang den ökonomischen Abwärtsprozeß nicht zu stoppen vermocht. Dennoch wurde der Siebenmeilenschritt in die kapitalistische Marktwirtschaft vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank jetzt positiv gewürdigt. Innerhalb der nächsten dreizehn Monate kann das mit mehr als 40 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Ausland verschuldete Polen auf einen Beistandskredit in Höhe von 723 Millionen US-Dollar seitens des Währungsfonds zurückgreifen. Mit dieser Entscheidung des IWF wurde der Weg freigemacht für zwei Kredite der Weltbank in Höhe von insgesamt 360 Millionen US-Dollar, über die seit einem Jahr verhandelt wurde. Die Weltbankkredite sollen zur Finanzierung von Projekten zur Verbesserung der Industrieexporte und landwirtschaftlicher Produktionsanlagen verwendet werden. Damit aber nicht genug: Weltbank-Chef Barber Conable kündigte an, daß Polen in den nächsten drei Jahren mit weiteren Krediten in Höhe von 2,5 Milliarden US -Dollar rechnen könne.

Die erste Kreditbewilligung für Polen, seit das Land im Juni 1986 wieder Mitglied des IWF wurde, hat einen hohen Preis. Voraussetzung war die Bereitschaft zu einem drastischen Stabilisierungsprogramm, in dessen Zentrum eine vierstellige Abwertung des Zloty, eine Begrenzung der Lohneinkommen sowie eine auf äußerste Sparsamkeit ausgerichtete Fiskal- und Geldpolitik steht. Weiter mußten nahezu alle staatlich regulierten Preise freigegeben, quantitative Importrestriktionen aufgehoben, einheitliche Zolltarife eingeführt und vor allem umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Im laufenden Jahr soll die Inflationsrate unter die 100-Prozent-Marge gedrückt werden, nachdem sie im Jahr 1989 noch bei 650 Prozent lag. Auch das staatliche Haushaltsdefizit soll begrenzt werden und im laufenden Jahr nur noch ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.

So viel Wohlverhalten wurde jetzt belohnt. Im Unterschied zu den üblichen Kreditkonditionen des IWF in den lateinamerikanischen und afrikanischen Schuldnerländern wurde Polen allerdings auch eine soziale Komponente zugestanden. Um der schnell wachsenden Verarmung breiter Teile der polnischen Bevölkerung entgegenzusteuern und eine sozialpolitische Verwaltung der rasch steigenden Arbeitslosigkeit zu bewerkstelligen, sollen im Staatshaushalt höhere Beträge für Sozialhilfen eingestellt werden. Mit dem Geld solle, so der Weltbank-Chef, ein „Sicherheitsnetz“ geschaffen werden, um die „sozialen Kosten“ aufzufangen, die der gesellschaftliche Transformationsprozeß nach sich ziehe.

Mit dieser Mittelbewilligung deutet sich an, daß Polen vergleichbar mit Mexiko für Lateinamerika - zum östlichen Musterknaben bei der marktwirtschaftlichen Überwindung der Schuldenkrise aufgebaut werden soll. Die eingeschlagene Zuckerbrot- und Peitschen-Strategie soll den anderen osteuropäischen Ländern zeigen, welche ordnungspolitischen Schritte von der „westlichen Wertegemeinschaft“ belohnt werden.

Zausel