Peking gibt sich demokratischen Anstrich

■ Chinas KP auf dem Papier zu Mehrparteienkooperation bereit / Scharfe Reaktion auf Visaverlängerung für chinesische Studenten in den USA / Asia Watch legt Bericht über Menschenrechtsverletzungen vor / Wegen Demokratiebewegung noch immer Zehntausende in Haft

Peking (dpa/wps/taz) - Ungeachtet der Entwicklungen in Osteuropa und der Sowjetunion will die kommunistische Führung Chinas an ihrem diktatorischen System festhalten, darin aber angeblich die Rolle der bereits bestehenden nichtkommunistischen Parteien stärken. Mitglieder solcher Parteien, die in China „demokratische Parteien“ genannt werden, sollen Führungsposten im Staatsrat und seinen Ministerien übernehmen, hieß es in einem programmatischen Dokument des ZK der KP Chinas, das am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Zu Sitzungen des Staatsrats und lokaler Regierungsbehörden sollen auch Personen ohne Parteizugehörigkeit und Vertreter der bestehenden acht „demokratischen Parteien“ hinzugezogen werden. Solche Personen sollten auch im Nationalen Volkskongreß, dem von der KP-Führung dominierten chinesischen Parlament, „angemessen“ vertreten sein, hieß es in dem ZK-Dokument.

Ausdrücklich betont wurde, daß sich Chinas System von den „Ein-Parteien-Systemen unterscheidet, wie sie in einigen sozialistischen Ländern praktiziert werden“. Am Machtmonopol der kommunistischen Partei ließ das Dokument jedoch keinen Zweifel: Sämtliche Widersprüche müssen auch zukünftig auf der Basis der „Vier Grundprinzipien“ gelöst. Diese schreiben verbindlich die Diktatur und Führungsrolle der KP sowie den sozialistischen Weg und den Marxismus fest.

US-chinesischer Schlagabtausch

Fünf Jahre Arbeit sollen chinesische Studenten in Zukunft vor ein Auslandsstudium setzen. Mit scharfen Restriktionen für Bewilligung von Auslandsaufenthalten für graduierte Studenten hat Peking auf die Washingtoner Beschlüsse der vergangenen Wochen geantwortet. Gegen das Votum des Präsidenten haten sich Senat und Repräsentantenhaus für eine gesetzliche Grundlage der Aufenthaltsverlängerung für chinesische Studenten ausgesprochen. Ausschlaggebend für diese Haltung und die Beibehaltung von Wirtschaftssanktionen gegen China seien die dortigen fortgesetzten Menschenrechtverletzungen.

Die US-Organisation Asia-Watch legte gestern in Peking einen entsprchenden Bericht vor. Wegen Beteiligung an der Demokratiebewegung im Frühjahr 1989 seien demnach noch 10.000 bis 30.000 Personen in Haft, zumeist Arbeiter ohne Auslandskontakte. Deshalb sei ihr Schicksal nur schwer zu verfolgen, hieß es. Mehr als 500 Personen, die seit Juni 1989 verhaftet worden seien, wurden namentlich genannt. Mindestens 40 Personen seien bisher allein nach amtlichen chinesischen Angaben wegen Beteiligung an der Demokratiebewegung hingerichtet worden.

Die Aufhebung des Ausnahmezustands in Peking im Januar sei eine auf internationale Wirkung zielende Maßnahme, die nichts am Klima der Unterdrückung ändere. Die kommunistische Führung habe ein furchterregendes Überwachungssystem eingerichtet. Kritik übte Asia Watch an der „kompromißbereiten“ Haltung von US-Präsident George Bush, die grünes Licht für Pekings Repressionspolitik bedeute.

Chinas Führung habe intern angeordnet, Berichte über Verhaftungen und Hinrichtungen zu beschränken, um den Eindruck zu erwecken, die Lage habe sich gebessert. Die Verhaftungen dauerten aber an. Häftlinge würden gefoltert. Gegen die meisten Betroffenen werde niemals Anklage erhoben. Oft erführen ihre Familien den Aufenthaltsort nicht. Die Zustände in den überbelegten Gefängnissen seien „brutal“, die Nahrung unzureichend und Infektionskrankheiten weit verbreitet. Der Studentenführer Wang Dan habe mit 19 weiteren Gefangenen eine 18-Quadratmeter-Zelle geteilt.

Von den 40.000 Studenten, die gegenwärtig in den USA studieren und sich aktiv an Protesten gegen die Niederschlagung der Demokratiebewegung beteiligt haben, rechnen viele im Falle ihrer Rückkehr mit Sanktionen. Die chinesische Führung hat zwar wiederholt versichert, daß die Rückkehrer willkommen seien und nichts zu befürchten hätten. Doch bereits im vergangenen Sommer verschärfte sie die Ausreiseregelungen. Für die politische Verläßlichkeit der Stipendien- und Sprachtestanwärter müssen sich seither die jeweiligen Arbeitseinheiten verbürgen. Diejenigen, die sich von der Fünfjahreshürde nicht abschrecken lassen wollen, müssen sich mit der Rückzahlung ihrer Ausbildungskosten in Höhe von einigen Tausend US $ quasi freikaufen. Diese Reglung ist nach Ansicht Glenn Shives, Direktor des China -Programms am New Yorker Institut für Internationale Erziehung, darauf angelegt die ganze Generation, der heute Anfang zwanzigjährigen vom Auslandsstudium auszuschließen.

sl