BesetzerInnen geräumt

■ Polizei stoppte Aktion im Frankfurter Bahnhofsviertel nach zwei Stunden / Multikultureller Stadtrat Cohn-Bendit kam zu spät

Frankfurt (taz) - Mehrere Dutzend Menschen haben gestern das Haus Elbestraße10 im Frankfurter Bahnhofsviertel besetzt, um gegen die Wohnpolitik des rot-grünen Magistrats zu protestieren. Zwei Stunden später räumte die Polizei, von Stadtkämmerer (SPD) Grüber gerufen, das Haus wieder. Der von den HausbesetzerInnen kurzfristig zu Hilfe geholte Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten Cohn-Bendit aber kam zu spät.

Die HausbesetzerInnen zogen vor den Frankfurter Römer, wo sie Luxussanierung und Zweckentfremdung von Wohnraum anprangerten. Die auch von der rot-grünen Koalition favorisierte Dienstleistungsmetropole Frankfurt mit ihrem riesigen Büroraumbedarf stehe in einem „unauflösbaren Widerspruch zur Schaffung von sozialverträglichem Wohnraum“, sagten sie auf einer Pressekonferenz. Selbst angesichts der wachsenden Wohnungsnot weiche die Baupolitik des jetzigen Magistrats „nicht um einen Millimeter“ von der der früheren CDU-Regierung ab. Auch das „Gewäsch einer multikulturellen Urbanität“ der Realo-Grünen haben die BesetzerInnen aus der linken und autonomen Szene im Visier. Während 200 Häuser in Frankfurt leer stünden, orientiere sich die Kommunalpolitik an den Bedürfnissen der einkommensstarken Schichten.

Stadtrat Cohn-Bendit diskutierte vor dem ehemaligen Bordell Elbestraße 10, das im Zuge der „Säuberungsaktion“ des alten CDU-Magistrats 1989 in den Besitz der Stadt überging und seitdem leersteht, über das Dilemma der „Metropole“ Frankfurt zwischen wirtschaftlicher Dynamik und sozialen Bedürfnissen der Bewohner. Die Stadt müsse über konkurrierende Nutzungsmöglichkeiten entscheiden, sagte er. Die Überlegungen beträfen ein „Künstler-Hotel“, ein Zentrum für die „Aids-Hilfe“, für Drogenberatung und ein „Literaturhaus“. Bei einer ganzen Reihe anderer leerstehender Häuser in städtischem Besitz gebe es ähnliche Konflikte.

Nachdem in den letzten Wochen auch StudentInnen zwei leerstehende Häuser in Frankfurt vorübergehend besetzten, fordern die Grünen im Römer nun vom Magistrat, „dem AStA der Universität sofort zwei leerstehende Liegenschaften zur Verfügung zu stellen“.

Reinhard Mohr