„Flüchtlingshaltung“ im Hotel Europa

Im hessischen Mörfelden-Walldorf starb iranische Asylbewerberin an Gehirnhautentzündung / Katastrophale Zustände in der Massenunterkunft / Erkrankungen wurden heruntergespielt / Noch immer sind medizinische Versorgung und Aufklärung mangelhaft  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Leitung des als Sammelunterkunft für AsylbewerberInnen genutzten Hotels „Europa“ im südhessichen Mörfelden-Walldorf nahm den ihr gemeldeten Fall von „Schüttelfrost“ bei einem Mann aus Sri Lanka zunächst nicht besonders ernst - „weil von den Bewohnern hier viele an Malaria erkrankt sind“. Das war am vergangenen Donnerstag. Am Wochenende veranlaßte ein niedergelassener Arzt die Einweisung von insgesamt drei erkrankten Menschen in das Stadtkrankenhaus von Rüsselsheim. Die Diagnose: Hirnhautentzündung (Meningitis), eine ohne Behandlung tödlich verlaufende Krankheit.

In der Nacht zum Montag starb dann im Krankenhaus eine Asylbewerberin aus dem Iran an der heimtückischen Krankheit. Zwei Männer aus Sri Lanka, so die Auskunft der Ärzte, sind dagegen „außer Lebensgefahr“. Inzwischen forderten die Grünen im Kreistag Groß-Gerau und im hessischen Landtag die Landesregierung auf, unverzüglich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu sorgen. „Wenn in unserer westlichen Zivilisation mit ihrem hohen medizinischen Standard eine 37jährige Frau an Meningitis stirbt, erinnert das an mittelalterliche medizinische Versorgung“, erklärte Ozan Ceyhun vom Landesvorstand der Grünen. Im „Hotel Europa“ seien 400 Menschen auf engstem Raum „zusammengepfercht worden“.

In dem für 250 Personen konzipierten Hotel „Europa“ leben zur Zeit 444 AsylberwerberInnen insbesondere aus dem nahen und fernen Osten. Das Hotel ist „Auffanglager“ für all die Flüchtlinge, die über den Frankfurter Rhein-Main-Flughafen in die Bundesrepublik einreisen. Nach Auskunft des Landtagsabgeordneten Jürgen May (SPD) aus Mörfelden-Walldorf habe der Staatssekretär im hessischen Sozialministerium, Gerald Weiß (CDU), im Rahmen einer rasch einberufenen Sondersitzung des Sozialausschusses erklärt, daß das Hotel als „Notunterkunft“ angemietet worden sei. Daß jetzt auch diese „Notunterkunft“ aus allen Nähten platze, liege am „ständig anschwellenden Zustrom von Asylanten“. Der Staatssekretär selbst war bislang öffentlich zu keiner Stellungnahme zum Thema bereit.

Für May steht fest, daß der Infektionsherd in der überfüllten Herberge in Mörfelden-Walldorf zu suchen ist: „Dort herrschen menschenunwürdige, katastrophale Zustände.“ Der iranische Flüchtlingsrat aus dem Dritte-Welt-Haus in Frankfurt warf der Hotelleitung vor, in einem Kellerraum 58 Menschen regelrecht „gehalten“ zu haben. In Dreibettzimmern seien sechs bis zehn Leute untergebracht.

Das Kreisgesundheitsamt in Groß-Gerau reagierte inzwischen mit dem Austeilen von Medikamenten an die AsylbewerberInnen auf den Meningitis-Fall. Das Hotel wurde nach dem Todesfall zunächst unter „interne Quarantäne“ gestellt, die gestern aufgehoben wurde. Man wolle alles tun, um eine Panik im „Hotel Europa“ zu vermeiden, hieß es. Panik brach am Dienstag dennoch aus, weil kein Arzt den Asylbewerbern gesagt hatte, daß sich - nach der Einnahme der Meningitis -Medikamente der Urin rot verfärbt. Einer der Flüchtlinge berichtete: „Wir hatten schreckliche Angst, weil wir dachten das wäre Blut.“