„Nur tief genug hineingehen“

■ Interview mit Rosa von Praunheim zu seinem neuen Film „Überleben in New York“

taz: Du machst offensichtlich gern Filme in New York.

Rosa von Praunheim: Ich lebe seit zwanzig Jahren in dieser Stadt. New York zwingt die Menschen zu einer spannenden Biographie. Es liegt also nahe für einen Regisseur, dies filmisch zu verwerten. Es ist eine Stadt, die einen unterhält, es passiert immer was. In diesem Fall kannte ich Claudia und Uli, die Filmfiguren, schon, und die Anna habe ich kennengelernt, als sie beim Strippen die Amis auf deutsch beschimpfte. Die Amis stimuliert das ungeheuer, in dieser harten Sprache angemacht zu werden.

Du hast schon wieder einen Film über Frauen gemacht. Alle halten Dich für einen schwulen Filmemacher?

Natürlich bin ich schwul, aber ich arbeite gern mit Frauen zusammen, besonders mit starken. Da gibt es eine natürliche Solidarität mit dem sogenannten schwachen, diskriminierten Geschlecht. Ich glaube auch, daß Frauen meinen Film mögen, weil sie sehen, daß Frauen kämpfen können und sie vielleicht selbst animiert werden, ein Abenteuer anzufangen.

Geht Dir die exzessive Selbstdarstellung der Menschen in New York nicht manchmal auf die Nerven?

Für mich ist alles, was exzessiv ist, eine besondere Qualität. Ich liebe solche Leute, wie die drei Frauen in meinen Filmen, die Deutschen finden das immer ein wenig unanständig, wenn man so nach außen geht und die Leute beim Bumsen zeigt.

Also doch der Voyeur mit der Kamera?

Na klar, die Leute sollen uns an

ihrem Leben teilhaben lassen. Für mich ist überhaupt das Wichtigste die Sexualität von Menschen. Es ist das Spannendste, Menschen beim Geschlechtsverkehr zuzusehen. Das ist doch die Schweinerei, daß wir aufwachsen und Sexualität von uns ferngehalten wird.

Warum hast Du diese Vorliebe für dokumentarische Filme?

Porträts über Menschen zu machen, ist eine aufregende Sache, egal wo. Ich könnte auch einen Film „Überleben in Bremen“ machen. Das was an Realität, Zufällen und Lebensgeschichte immer unterschiedlich daherkommt und immer exotischer wird, nimmt an Skurrilität zu, je mehr du nach

fragst und wirklich Interesse an den Menschen zeigst.

Du hast mit einer 16mm-Handkamera gefilmt...

Das fragen mich alle. Kameramann Jeff Preiss hat das so schnell gedreht, wie New York halt ist. Die Kamera ist sehr subjektiv, das erleichtert die Dokumentararbeit, so kommen die verschiedenen Perspektiven zur Geltung.

Und was ist mit Deinen schwulen Filmplänen?

Ich habe gerade drei Filme über Aids fertiggestellt, zwei werden bei den Filmfestspielen gezeigt. Die kommen im Paket mit anderen Arbeiten aus Amerika im Mai bei einem Aids -Projekt heraus.

Aber Du stehst mit dieser Thematik in Deutschland weitgehend allein.

Keine Ahnung. Die vielen Talente haben es schwer. Außerdem bleiben sie lieber in der behütenden Sub-Szene, da fühlen sie sich sicherer. Ich habe durchaus versucht, Leute zu animieren, mal einen Film zu versuchen, den Mut zu finden, mit ihrer Persönlichkeit etwas auszudrücken. Aber das ist unheimlich schwierig.

Wie erklärst Du den Erfolg Deines Films?

Es kommt nicht so sehr auf das Andersartige an, glaube ich. Das Normale ist das Spannende, man muß nur tief genug hineingehen. Interview Jürgen Franck