„Wort vom Chef als großes Amen“

■ Nur ein Drittel der Betriebe hat Betriebsrat / DAG richtete für die laufenden Wahlen ein Nottelefon ein

„Ich war kaum im Wahlvorstand, da rief mich mein Chef zu einem Gespräch unter vier Augen ins Büro. Wir würden ja nicht so recht zueinander passen, meinte er, und ich hätte dies ja wohl auch schon gemerkt.“ Frau X. glaubte ihren Ohren nicht zu trauen: „So prompt und massiv hatte ich mir die Reaktion nicht vorgestellt.“ Seit drei Jahren arbeitet die Dolmetscherin in einem alteingesessenen Bremer Betrieb mit über 200 Beschäftigten, in dem seit bald einem Jahrhundert das „Wort vom Chef als großes Amen“ gilt. Bis heute gibt es keinen Betriebsrat in der Firma.

Nachdem die Geschäftsleitung ihre MitarbeiterInnen dann vor einigen Monaten auf ein fragwürdiges „Corporate Identity -Konzept“ einschwören und auf einseitig für die Arbeitnehmer geltende Verbindlichkeiten verpflichten wollte, war es selbst altgedienten KollegInnen zuviel: „Wir haben uns mit acht Leuten privat zusammengesetzt und überlegt, wie wir einen Betriebsrat gründen können“, erzählt Frau X., die erst nach der erfolgreichen Installie

rung einer solchen Arbeitneh mervertretung ihren Namen öffentlich nennen will. Und weil vor zwei Jahren eine ähnliche Initiative damit endete, daß die engagierten KollegInnen „gegangen wurden“, suchte die Gruppe nach einem anderen Weg: „Selbst zu acht hätten wir in einem Gespräch mit dem Firmenchef schlechte Karten gehabt“, berichtet Frau X. und daß sie dann „per Zufall“ die Notruf -Nummer der Gewerkschaft entdeckt habe: „Dort haben wir uns erstmal schlau gemacht.“

Mitte Januar hat die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) diesen Notruf eingerichtet. „Wir haben damit eine Mutmachaktion versucht, um die Leute bei den anstehenden Betriebsratswahlen vertraulich zu unterstützen“, berichtet Hartmut Frensel vom DAG-Bezirk Bremen. Von den betriebsratsfähigen Unternehmen in Bremen (also allen mit mehr als 5 Beschäftigten) hätten in der Vergangenheit nur rund 34 % auch tatsächlich einen Betriebsrat gewählt. „In den großen Betrieben sieht die

Geschäftsleitung in den Betriebsräten eine normale und kalkulierbare Ergänzung zur Betriebsführung. Das Problem sind die unzähligen kleinen und mittleren Betriebe“, sagt Frensel. Im Land Bremen könnten rund 260.000 ArbeitnehmerInnen zu den jetzt angelaufenen Betriebsratswahlen gehen. Nach den 1989 geänderten Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes werden in den nächsten drei Monaten die Betriebsräte zum ersten Mal für vier (bisher: drei) Jahre gewählt.

„Es ist erschreckend, wie wenig über die Aufgaben und Rechte und auch über die Wahlen von Betriebsräten bekannt ist“, berichtet Frensel. Allein der Kündigungsschutz sei kaum bekannt: „Der Kündigungsschutz gilt für alle Kandidaten und den Wahlvorstand, der die Wahlen durchführt, bis sechs Monate nach der Wahl.“ Gewählte Betriebsräte sind während ihrer Amtszeit und ein Jahr danach gegen Rausschmiß geschützt. Wählen dürfen alle, die „am Tag der Wahl ein Arbeitsverhältnis mit dem Betrieb haben“: Ob fest oder Aushilfe'Zivil

dienstleistende und Frauen im Mutterschutz.

Bis Frau X. vor wenigen Wochen bei der DAG um Schützenhilfe bat, wußte sie nicht, daß auch die Gewerkschaft zur notwendigen Betriebsversammlung einladen und daß die Gewerkschaft auch den Wahlvorstand vorschlagen kann. Bei vorbereitenden Gesprächen mit der Geschäftsleitung kann die Gewerkschaft die Anonymität ihrer Mitglieder wahren. Hartmut Frensel hat dann auch die Wahlvorbereitungen in der Firma von Frau X. übernommen. „Zu uns war der Firmenchef freundlich und zuvorkommend und stellte Kaffee und Kekse zur Betriebsversammlung in Aussicht“, erzählt Frensel.

Frau X. dagegen berichtet: Die Einladung war „aus Versehen“ nicht ans schwarze Brett gekommen, der Versammlungsraum wurde kurzfristig renoviert und wie Frau X. wurden auch andere Kollegen zum Chef gebeten. Zur Wahl kandidieren jetzt auch unternehmensfreundliche Abteilungsleiter.

ra