Radio Bremen geht an die Schamgrenze

■ Intendant will sich mit Werbeindustrie verbünden / Sparkonzept und Schulden

Die Werbeeinnahmen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind drastisch gesunken, Radio Bremen muß sich mit der werbungtreibenden Wirtschaft verbünden - „die Schamgrenze ist bei uns kein Thema“, dies verkündete Intendant Karl -Heinz Klostermeier gestern auf einer Pressekonferenz. Nach einer Infratest-Studie „Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung 2000“ dürfte bis dahin der Anteil der Öffentlich-Rechtlichen an den Werbe-Einnahmen auf 10 Prozent sinken - die Werbeeinnahmen der Privaten sollen auf 5,8 Milliarden steigen. Die Ministerpräsidenten, so argumentiert Klostermeier, können und müssen die rechtlichen Grenzen der Werbung für den Öffenlich-Rechtlichen lockern, um deren Bestand zu sichern. Die ARD will auch in der „Primetime“ nach 20 Uhr Werbung senden dürfen.

Derzeit reizt Radio Bremen seine Werbminuten nicht völlig aus. Erst 50% der gesetzlich zulässigen Werbezeit für das regionale Vorabend-Programm ist für 1990 verkauft. Damit die Zahl auf 70% gesteigert werden kann, wird ein Sportblitz eingeführt, bei der eine Uhr im Hintergrund zu sehen ist. Wo bei Buten&Binnen hungrige Katzen schnurren,

soll da Kornflakes werben - „die Uhr ist verkauft“, nennt Klostermeier das. Auch an einen Teleshop ist gedacht. Tauschgeschäfte - Filme gegen Werbezeit - wären denkbar, die „Schamgrenze“ für die Bremer Fernsehanstalt liege erst da, wo die werbende Wirtschaft in Drehbüchern Schleichwerbung einstreuen will.

Bis 1993 soll der Sender seinen Jahresetat um 5,3 Millionen Mark zusammenstreichen. 30-40 Stellen werden abgebaut, RB wird einfach weniger für die Nordkette liefern. Im Hörfunkbereich sind die Auswirkungen für die 4 Wellen drastisch: weniger Wort auf der Jugendwelle (RB4) spart 50.000 Mark, auf Radio Bremen 2-kulturell muß alles eben „billiger gemacht“ werden, spart 300.000 Mark bei der Wort -Kultur und 100.000 Mark bei Musiksendungen: Anstelle von Oktetten müssen eben Duos spielen, witzelte der Indendant. Lokale Minderheiten-Sendungen - Biz Bize - werden gestrichen - bringt 460.000 Mark bis 1993.

Aufgeben will Radio Bremen keine Frequenz, betonte Klostermeier. Denn: Streichung des 4. Programms würde 2 Millionen Mark einsparen, aber die Werbe-Einbußen durch einen privaten Konkurrenten auf der Frequenz

wären wahrscheinlich größer. Das Defizit seit 1988 wird bis zum Jahre 1993 auf 50 Millionen Mark gewachsen sein Klostermeier sammelt bis dahin Argumente für eine Anhebung der Rundfunkgebühren und eine Veränderung der Ausgleichszahlungen.

K.W.