Bonns Knotenmänner im Anmarsch

■ Berlin droht ein massiver Zuwachs von Nadelstreifen und Glasbeton / Deutsches Historisches Museum nach Bonn? / Bundestagsauschuß für neue alte Hauptstadt

Nach der deutsch-deutschen folgt nun die Hauptstadt -Besoffenheit: Während aus Bonn Nachrichten über diverse Baustopps regierungsrelevanter Gebäude einliefen, wird die museale Ruhe des Reichstags gestört. Alle vier Fraktionen des Bundestages wollen dort „Kontakt-Büros“ für Ost-Berlin einrichten. Einzug gehalten hat dort bereits ein Vertreter der CDU.

Auch die Bundes-SPD wolle mehrere Leute schicken, sagte gestern der stellvertretende Verwaltungsleiter des Reichstags, Edmund Mattig, der taz, obwohl für deren Alt -Vorsitzenden Willy Brandt gestern die Hauptstadtfrage noch völlig offen war. Nach ihrer offiziellen Abkehr von der Zweistaatlichkeit planen sogar die Grünen, einen Abgeordneten und zwei Mitarbeiter zu delegieren - Grund für Verwunderung bei Mattig, denn „die haben dem Reichstag bisher die kalte Schulter gezeigt“. Für Berlin als Hauptstadt hat sich gestern der Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen des Bundestages ausgesprochen.

Im Bundesdorf am Rhein mehrten sich gestern die Anzeichen, daß alle Blicke nach Osten gerichtet sind. Die Planungsarbeiten für den Neubau des Bundespresseamtes wurden gestern eingestellt. Nach Informationen der taz haben die Maurer auf der Baustelle der japanischen Botschaft erst einmal die Kellen aus der Hand gelegt. Die FDP in Bonn dementierte dagegen heftigst Gerüchte über einen Baustopp ihrer neuen Parteizentrale. Die Verwaltung des Bundestags prüft seit gestern einen Baustopp für das neue Abgeordneten -Bürohaus, das immerhin 640 Millionen Mark kosten soll. Bonns Oberbürgermeister Hans Daniels (CDU) fürchtet mittlerweile massiv um seinen Regierungsstandort, in dem in den letzten fünf Jahren eine wahre Bauwut eingesetzt hatte. Während er sich letzte Woche noch dafür ausgesprochen hatte, Verwaltungsfunktionen zwischen Bonn und Berlin aufzuteilen (die taz berichtete), heißt es jetzt, Bonn müsse auch in einem geeinten Deutschland Hauptstadtfunktionen behalten. Der Stadt Bonn droht im Falle einer Verlegung der Regierung ein Massenexodus von geschätzten 100.000 Menschen, jeder dritte Arbeitsplatz hängt dort von der Regierung ab. Spekulationen, wonach Bonn als Trostpflaster das Deutsche Historische Museum erhalten soll, konnten gestern nicht verifiziert werden.

In Berlin beschäftigte sich Regiermeister Momper gestern ebenfalls wieder mit der Zukunft der Stadt. In einer Rede auf einem Kongreß des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) und des Ost-Berliner Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft in Potsdam bekräftige Momper seinen Standpunkt, Berlin werde Haupstadt sein, wenn die Deutschen das wollten. Die Funktion der Alliierten als Schutzmächte bliebe erhalten, solange die militärischen Blöcke noch bestünden. Die praktische Anwendung dieser Rechte werde „nach innen“ jedoch in dem Maße zurückgehen, als zwei demokratische Staaten miteinander kooperieren.

Kd/dpa