Wendehals Pöhl

Souveränitätsverlust der Notenbanken in Ost und West  ■ N O C O M M E N T

Die deutsch-deutschen Verwicklungen setzen jegliche ökonomische Logik außer Kraft. Was gestern noch als unverrückbarer Lehrsatz gegolten hat, ist heute bereits Makulatur. Bestes Anschauungsmaterial für diesen Vorgang hat jetzt Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl geliefert. Verschmähte der sozialdemokratische Währungshüter bis jüngst noch die Idee einer schnellen Einführung der D-Mark als offizielles Zahlungsmittel der DDR als „phantastische Idee“, so reichte ein Blitzbesuch beim Bonner Kabinett offensichtlich aus, den erklärten Krönungstheoretiker Pöhl in das Lager der Monetaristen wechseln zu lassen. Nicht etwa, daß die ökonomische Rationalität der Einwände gegen eine sofortige Währungsunion durch irgendwelche neue Einsichten in Frage gestellt worden wäre. Der rückgratlose Positionswechsel des Bundesbankchefs hat allein politische Gründe.

Ein doppelter Souveränitätsverlust ist zu konstatieren. Er trifft die Bundesbank und die Regierung der DDR. Vom Bundesbankgesetz wurde der Deutschen Bundesbank in §3 die Aufgabe übertragen, „die Währung zu sichern“. Ausdrücklich festgelegt wurde, daß die Bundesbank bei der operativen Umsetzung dieser Aufgabe von jeglichen Weisungen einer Bundesregierung unabhängig ist. In der Vergangenheit hat diese Autonomie der Bundesbank immer wieder für politischen Ärger gesorgt, der allerdings die Notenbanker von ihrer strikten Linie der obersten Priorität währungspolitischer Stabilität niemals hat abweichen lassen. Der hilflose Machtopportunismus von Pöhl hat jetzt einen Präzedenzfall geschaffen, der noch weitreichende Folgen haben dürfte.

Noch gravierender sind aber die Auswirkungen einer Übernahme der D-Mark für die DDR. Die Abgabe der geld- und währungspolitischen Souveränität an die Bundesbank in Frankfurt/Main bedeutet die Aufgabe jedes Selbstbestimmungsrechtes des anderen deutschen Staates angesichts des ansonsten gerne von den Bonner Politicos beschworenen Rechtes auf Selbstbestimmung als fundamentale Errungenschaft der Demokratie ein bemerkenswerter Vorgang. Schließlich ist es ja nicht damit getan, DM-Scheine unter das DDR-Volk zu streuen. Die DDR verliert damit nämlich die Möglichkeit, über die Höhe der Zinssätze, die Expansion der Zentralbankgeldmenge und letztlich auch über die Spielräume der Fiskalpolitik zu bestimmen. Weil die Bundesbank zur Sicherung der preislichen Konkurrenzfähigkeit bundesdeutscher Unternehmen auf den Weltmärkten an einer niedrigen Inflationsrate festhalten muß, darf ein antiinflationärer geldpolitischer Kurs erwartet werden. Selbst über die weitere ökonomische Talfahrt wird dann in Frankfurt entschieden.

Kurt Zausel