S C H Ö N E R L E B E N Die DDR wird geplündert

■ Guter alter Sozialismus im Strudel der Wegwerfgesellschaft

Eigentlich hasse ich Nippes. Seit einigen Wochen liegt aber das Bröckchen Mauer da, seit Silvester (da kam man „so“ durch die Mauer raus) eine original „Zählkarte“ mit Stempel.

Und jetzt die Aktendeckel. Das kostbare Stück lag auf einer Damentoilette im Gebäude des ZK der SED in Berlin/DDR. Aufschrift: „Stenografisches Protokoll des freundschaftlichen Treffens des Präsidiums des Parteivorstandes der DBD mit ausländischen Delegationen anläßlich des 40. Jahrestages der DBD am 27. April 1988 in Berlin“. Das sind Titel, die es in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr gibt - ein Unikat. Da: „Kirchenstudie 1985. Vertrauliche Dienstsache“. Kein Aufdruck, sondern gestochene Handschrift. Die Berichte sind herausgenommen, verbrannt, die Aktendeckel hat jemand kistenweise gerettet. Da hatte jemand Sinn für Werte, da gilt noch nicht die Wegwerfgesellschaft. Aber damit ist Schluß nun. Selbst ein taz-Redakteur kommt inzwischen auf die Damentoilette im Gebäude des ZK der SED.

Klaus Wolschner