Die Partei, mit der keiner gerechnet hat

■ Letzter Teil der taz-Serie über Aufstieg und Niedergang des Berliner Landesverbandes der Reps / Die „Republikaner“ und die DDR / Ex-Rep-Chef Andres rechnet ab / Mitgliederschwund und Irritationen nach dem 9. November / Heute Landesparteitag

Reps in Ost-Berlin?

Mitte Dezember erklärten die Berliner „Republikaner“, daß sie an den Volkskammerwahlen der DDR am 6. Mai dieses Jahres teilnehmen wollen. Angeblich wurden Vorbereitungen zur Gründung einer flächendeckenden Organisation in Ost-Berlin und der „DDR„ getroffen. Zehn Prozent der Stimmen könne man locker erreichen, protzte Pressesprecher Carsten Pagel. Schon im August hatte Bernhard Andres mit einer Erklärung für Aufsehen gesorgt, daß in Ost-Berlin ein Kreisverband der Reps gegründet worden sei. Die Behauptung wurde wenig später als purer PR-Gag entlarvt. Als Andres den Beweis antreten sollte, zeigte er Fotografien, auf denen die Ost-Berliner Schönhauser Allee abgebildet war. „Bilder aus dem Kreisverband Prenzlauer Berg!“ erklärte er wichtigtuerisch. Nur er allein halte den Kontakt nach drüben - wie er das mit Einreiseverbot geschafft haben will, blieb selbst seinen Parteifreunden ein Rätsel. Ein Fraktionsmitglied kommentierte kurz und treffend: „Alles Quatsch!“

Auch die derzeitigen Verlautbarungen der Reps zu ihrer Präsenz in der DDR sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Zwar wurden seit der Öffnung der Mauer immer wieder mal „Kuriere“ der Reps dabei erwischt, wie sie Flugblätter und Parteiprogramme über die Grenze schmuggeln wollten. Doch ob der immer noch zerstrittene Berliner Landesverband in der Lage ist, „drüben“ tatkräftige Aufbauhilfe zu leisten, muß zumindest bezweifelt werden. Über mögliche Erfolgsaussichten der Reps - oder einer sich anders nennenden rechtsradikalen Partei - in der DDR zu spekulieren, ist deshalb noch zu früh. Das „nationale Thema“ wird von allen zugelassenen DDR -Parteien abgedeckt, selbst die SPD geht mit dem Slogan „Deutschland, einig Vaterland“ ins Rennen. Darüber hinaus zeichnet sich nicht ab, daß im Zusammenhang mit der Zulassung der Reps zu Wahlen in der DDR die Gretchenfrage „Wie haltet ihr's denn nun wirklich mit der Demokratie, wenn die Reps hier nicht antreten dürfen“ - gestellt würde. Genau darauf hat Pagel mit seiner Presseerklärung vom Dezember 1989 aber abgezielt: Die SED hat jetzt die Möglichkeit, zu beweisen, daß sie sich tatsächlich geändert hat. Der Prüfstein hierfür ist die Wahlzulassung der Republikaner. Doch die Volkskammer der DDR erneuerte das Rep-Verbot in der vergangenen Woche. Ein Sturm der Entrüstung in den beiden deutschen Staaten blieb aus.

In den letzten Wochen wurde zudem immer deutlicher, daß die Reps mit ihrem „Engagement“ im Osten im Grunde auf die westliche Öffentlichkeit zielen. Nach dem Motto „Wir sind die letzten Opfer des SED-Regimes“ inszenieren die Reps ihre Auftritte: Franz Schönhuber versucht „vergeblich“, in den Ostteil Berlins einzureisen (so auch wieder diese Woche), trotz des jüngst von der Volkskammer ausgesprochenen Rep -Verbotes werden der Öffentlichkeit „DDR-Beauftragte“ mit Wohnsitz im Osten präsentiert, die danach von der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung angeklagt werden. Bei diesen Aktivitäten geht es nicht in erster Linie um den Aufbau einer Rep-Struktur in der DDR; es geht vielmehr darum, endlich wieder - und zwar im Westen - Aufmerksamkeit zu erregen.

Trotz der vor allem von West-Linken als „nationalistisch“ denunzierten Parolen auf den Leipziger Montagsdemos ist es den Reps nicht gelungen, dort eine größere Anhängerschaft zu finden. Offiziell besteht dort zwar ein Kreisverband der Reps - über seine Stärke wurde bisher aber nichts bekannt. Die Reps haben im Gegenteil Mühe, bei diesen Demonstrationen überhaupt geduldet zu werden: Erst vergangenen Montag wieder wurde ihnen ihr Agitationsmaterial von anderen DemonstrantInnen weggenommen. Die überwiegende Mehrheit der Montags-MarschiererInnen begreift die Reps offensichtlich nicht als Bundesgenossen, sondern im Gegenteil als eine Gruppierung, die ihre Erfolge gefährden könnten. Paranoider

Antifaschismus

Die PDS (ehemals SED) und die mit ihr sympathisierende Presse hat in den letzten Wochen zweimal versucht, über eine antifaschistische Kampagne politisches Terrain zurückzuerobern und Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist ihr nicht gelungen. Die Demonstration zum sowjetischen Ehrenmal in Treptow, das zuvor mit neonazistischen Parolen beschmiert worden war, geriet zu einer Pro-Stasi-Kampagne, die in der Öffentlichkeit Empörung und Verbitterung auslöste. Ende Januar warnte die SED-nahe 'Junge Welt‘ dann vor einem angeblichen Aufmarsch der Reps in Ost-Berlin. 3.000 „Republikaner“ hätten einen Marsch auf Ost-Berlin geplant, hieß es. Die 'Junge Welt‘ mobilisierte die Volkspolizei und viele Antifaschisten. Wer nicht kam, waren die „Republikaner“. Die Story war eine klassische Zeitungsente. Und man wird den Verdacht nicht los, daß die 'Junge Welt' -Redaktion ihre Mär vom Rep-Marsch wider besseren Wissens verbreitete: In einem Gespräch vor dem 30. Januar, dem angeblichen Aufmarsch-Tag, machte der Chefredakteur der 'Jungen Welt‘ in einem Telefongespräch mit der taz schon deutliche Abstriche von der Geschichte. Nichtsdestotrotz wurde das Gruselmärchen am nächsten Tag wieder zehntausendfach verbreitet. Deutsch-deutscher

Eiertanz

Die Politik der Berliner Reps ist, was ihr Verhältnis zu DDR -Besuchern, Aus- und Übersiedlern angeht, ausgesprochen widersprüchlich. Auf der einen Seite stand und steht die Partei seit ihrer Gründung für „Wiedervereinigung“ und strammen Antikommunismus: Auslöser für die Gründung der Reps im Sommer 1983 war schließlich die Verärgerung von CSU -Rechten über den von Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR. Und auch in Berlin spielte die „Deutsche Frage“ in der Rep-Entstehung eine entscheidende Rolle (Stichwort: Diepgen-Besuch in Ost-Berlin). Trotzdem vertreten sie auf der Straße zum Teil das genaue Gegenteil. Unter der Überschrift Ein Tag in Berlin anno 1989 verteilten Reps des Kreisverbandes Wedding im Dezember beispielsweise folgendes „Gedicht“: Vom Quelle-Warenhaus komme ich her/ ich muß Euch sagen, die Regale sind leer!/ Überall auf Stufen und Kanten/ sitzen DDR-Brüder und Asylanten/ draußen vor dem Eingangstor/ schauen verschüchtert die Deutschen hervor/ und fragen mit ganz leiser Stimme:/ „Ist für uns auch noch etwas drinne?„

Wer nach dieser grandiosen Unterscheidung zwischen „Deutschen“ und „DDR-Bürgern“ nun glaubt, die rechtsradikalen Verfasser könnten nachts - von inneren Widersprüchen gepeinigt - nicht mehr schlafen, der irrt gewaltig. Genau das ist das Politik-Konzept der Reps: Das eine sagen, das ganz andere tun, wenn es populär ist und Stimmen bringt oder einzelnen Funktionären Vorteile verschafft. Die Reps traten in NRW gegen den „roten Filz“ an - und wurden noch während des Wahlkampfes des Wahlbetruges überführt. Für deutsche Sauberkeit in Niedersachsen - dort kungelten sie öffentlich mit dem Wahlfälscher und CDU -Abtrünnigen Horst Vajen. Vor dem

politischen Bankrott

Der einzige geplatzte Rep-Parteitag ist nicht von Antifas, sondern von den Reps selbst verhindert worden. Am 17. Dezember '89 sollte in Berlin ein Parteitag stattfinden, um dort einen neuen Landesvorstand zu wählen. Der geschäftsführende Landesvorsitzende Straube verschickte die Einladungen jedoch zwei Tage zu spät, die Pagel-Clique klagte in München, das Treffen wurde auf unbekannte Zeit verschoben. Ähnliches war schon im November - damals mit umgekehrten Vorzeichen - geschehen. Das machtpolitische Patt zwischen der Pagel-Truppe und dem Rest der Partei blockiert alles. Die großartig angekündigte Unterschriftensammlung gegen das Ausländerwahlrecht entpuppte sich als Riesenflop. 80.000 Stimmen wollten die Reps sammeln, um ein Volksbegehren über Neuwahlen einzuleiten, doch nur 25.000 Stimmen kamen zusammen. Von den ehemals elf Abgeordneten sitzen noch acht im Parlament - der Rest hatte im Laufe des Jahres frustriert das Handtuch geworfen oder war ausgeschlossen worden. Weitere Austritte werden nicht ausgeschlossen. Die Partei der Reps ist nicht das entscheidende Problem - die rechtsradikalen Funktionäre bekämpfen sich dort mit einer unnachahmlichen Effektivität. Bernhard Andres, geschaßter Ex-Fürst des Berliner Landesverbandes, zog Ende Januar genüßlich Bilanz: „Mein trauriges Resümee ein Jahr nach dem Wahlerfolg: zerstritten, politikunfähig, desolat und meilenweit entfernt vom Wähler.“

Von 38 Bezirksmandaten blieben ein Jahr später 28 besetzte übrig. „In Spandau und Charlottenburg bestehen keine Fraktionen mehr!“ erklärte Andres. Innerhalb der letzten vier Monate hätte die Partei 700 Austritte hinnehmen müssen. Damit sei die Zahl der eingetragenen Berliner Reps auf 1.700 geschrumpft. Unter den Ausgetretenen befinden sich nach Informationen von Andres über 40 ehemalige Funktionsträger der Partei - für die Reps, deren Funktionärsdecke ohnehin sehr dünn ist, ein empfindlicher Schlag. Andres weiter: „Von 53 gegründeten Ortsverbänden existieren heute nur noch 45, mehr schlecht als recht.“ Die Verantwortung für den jetzigen Zustand der Partei trage allein Franz Schönhuber - der Parteiführer aus München hatte das Okay zum „Abschießen“ von Andres erteilt.

Heute tagen die „Republikaner“ im ICC und wählen einen neuen Landesvorstand. Man kann davon ausgehen, daß Carsten Pagel sein Ziel erreichen wird, Chef des Berliner Landesverbandes zu werden. Viele seiner Opponenten werden daraufhin die Partei in der nächsten Zeit vermutlich verlassen. Dann ist Pagel zwar unumschränkter Chef - den personellen und politischen Niedergang der Partei, mit der damals keiner gerechnet hat, wird er trotzdem nur schwer rückgängig machen können.

Claus Christian Malzahn