Eine Amerikanerin in Berlin

■ Die New Yorker Filmkritikerin Marica Pally beginnt heute wieder mit ihrer täglichen Gastkolumne

Ich mache mir Sorgen um den Sexshop auf dem Frankfurter Flughafen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, jedesmal auf dem Weg zur Berlinale zu diesem Laden zu gehen und mich davor photographieren zu lassen (wobei es nie an GIs mangelt, die mir nur zu gerne dabei helfen), und ich hasse die Vorstellung, daß der Laden vielleicht schon bald schließen muß, weil die GIs abgezogen werden. Präsident Bush droht ja damit, unsere Jungs nach Hause zurückzuholen. Das machte mir Sorgen. Bis ich dann las, daß die Stadt Magdeburg als ersten Schritt auf dem Wege zum Kapitalismus innerhalb eines Monats sieben Kontakanzeigen-Agenturen eingerichtet hat. Das gab mir die Hoffnung, daß die Ostdeutschen vielleicht doch die entstehende Lücke ausfüllen werden, wo sie doch so wild darauf sind, ihr Geld für etwas auszugeben, was amerikanische Männer seit Jahren umsonst zu bekommen versuchen. Meine Hoffnung wurde noch bestärkt, als ich hier in Berlin sah, daß die Schlange von Ostbesuchern vor dem Beate-Uhse-Laden bis auf die Straße reichte. Ähnlich erfreut war ich über den Ansturm auf die Condomerie (Kantstraße Ecke Leibnizstraße, falls jemand Appetit auf Mandarinengeschmack haben sollte).

Der Gedanke, daß der Frankfurter Sex-Shop geschlossen werden könnte, beunruhigte mich beinahe genausoviel wie die Protestdemonstrationen der Republikaner in Leipzig. Für die Berliner mögen das nur die üblichen Verrückten sein, wie man sie bei jedem Fußballspiel in England oder bei einem Country & Western-Konzert trifft. Es soll, so habe ich mir sagen lassen, sogar Deutsche geben, die der Meinung sind, daß die DDR-Skinheads jetzt keine so große Bedrohung mehr darstellen, seit ihre Existenz offiziell anerkannt wird und damit öffentlicher Protest gegen sie möglich geworden ist. In der amerikanischen Presse jedoch gelten sie alswirklich ernste Gefahr. Abgesehen von der durchaus verständlichen Angst vor faschistischen Gruppen interessieren sich die Amerikaner für jede Form von neonazistischen Bedrohung. Der Nazismus schmeichelt uns irgendwie, weil er einige von uns an die Zeiten erinnert, als wir noch die Guten und auf der ganzen Welt beliebt waren. In der letzten Zeit wurde es zunehmend schwerer für uns, in die Schlagzeilen zu kommen. Selbst die Meldungen über unser mutiges Eingreifen da unten in Panama verschwanden schon nach wenigen Tagen von den Titelseiten.

Die drohende Wiederauferstehung des Dritten Reiches hat die amerikanische Diskussion über die Wiedervereinigung so sehr dominiert, daß ich mich schon fragte, wer wohl die Republikaner unterstützt. Zuerst dachte ich, es müßten Breschnews Jungs sein, die sicherlich auch die Türken in Bulgarien, die Armenier in Aserbeidschan und sowohl die Serben als auch die Albaner in Kosovo finanziell unter die Arme greifen. Die sowjetische Hegemonie ist doch gar nicht mehr so schlimm, oder? (Ich dachte mir, die Sowjets hätten das Geld dafür wahrscheinlich von den Israelis bekommen, im Austausch für jüdische Auswanderer. Dieser Gedanke war mir gekommen, als die Vereinigten Staaten im letzten Herbst die Quote für jüdische Einwanderer aus der Sowjetunion senkten.) Jetzt ist mir jedoch völlig klar, daß ich mich geirrt habe. Es war natürlich Bush, der von Anfang an die Republikaner unterstützt hat, um dem amerikanischen Hegemonieanspruch ein besseres Image zu geben. Armer Bush: Erst wartet er zwei Amtsperioden von Reagan ab, ehe er Präsident wird, und dann muß er sich wirklich anstrengen, um von der Presse überhaupt wahrgenommen zu werden. Die amerikanischen Leser haben bestenfalls einen kurzen Blick für seine Presseerklärungen übrig und konzentrieren sich im übrigen auf die täglich erscheinenden Aussprachetabellen in der Hoffnung, die vielen neuen herzegowinischen, moravischen und rumänischen (bei uns ab heute: romänischen) Namen zu lernen und die beiden Gruppen von deutsch-deutschen Diplomaten auseinanderhalten zu können. Wenn Ihr Deutschen uns versprecht, die jeweiligen Regierungsbehörden zusammenzulegen und dieses Ratespiel mit den Namen auf die Hälfte zu beschränken, dann wette ich, werden wir Euch die Wiedervereinigung genehmigen.

Eine letzte Bemerkung: Ich möchte mich bei der taz für die rote FDJ-Mütze bedanken. Es ist wirklich sehr viel bequemer, sie hier zu kriegen als bei Bloomingsdale's.

Übersetzung: Hans Harbort