Brillante Falschmünzerei

■ „Es“ („Ono“) von Sergej Owtscharow im Forum

Wenn früher ein Autor seinem Roman den Anschein eines Dokumentes geben wollte, behauptete er, er habe den Bericht in einem Bündel alter Schriftstücke und Urkunden gefunden. Mit diesem literarischen Kunstgriff verbürgte sich der Puschkin-Zeitgenosse Michail Saltykow-Schtschedrin für die Authentizität seiner Geschichte einer Stadt. Sergej Owtscharow hat das „bürokratische Epos“ des Satirikers für das Kino adaptiert und dabei auf zufällig im Filmarchiv gefundenes Material zurückgegriffen. Die Rekonstruktion der Historie einer russischen Kleinstadt anhand von rekonstruiertem historischen Filmmaterial?

Ono ist eine brillante kinematographische Falschmünzerarbeit, die unsere Erwartungen an altes Filmmaterial gleichermaßen bedient und unterläuft. Bilder, die derart unscharf, über- oder unterbelichtet und von Stockflecken übersät sind, können doch unmöglich 1989 gedreht worden sein! Und die Mimik und Gestik der Schauspieler, ihre abrupten Bewegungen, das kennt man doch allenfalls aus frühen Stummfilmen.

Die harmlose Mogelei des Regisseurs verweist auf das Thema des Betrugs und der Täuschung, durch das sich Ono rasch als eine Allegorie auf die (sowjet-)russische Geschichte zu erkennen gibt. Owtscharow inszeniert sie als heillose Nummernrevue der austauschabren Stadtoberhäupten: Ob Bürokraten oder Tyrannen, korrupt und verlogen sind sie allesamt und verstehen es (gleichviel, welche Art von Regime sie verkörpern), das hungernde Volk mit den immer gleichen Versprechungen hinzuhalten: „Haltet aus, meine Freunde, bald gibt es alles in Hülle und Fülle!“

Solange der Film im Zeitraffertempo die herkömmliche Geschichtsschreibung persifliert, eignet ihm der leidlich witzige Charakter des Beiläufigen und Skizzenhaften. Allmählich stumpfen die Widerhaken der Bürokratiesatire indessen ab; einzig in den Passagen, die das Denunziationsklima der Stalinära schildern, stechen sie noch.

Gerhard Midding

Sergej Owtscharow: Es, UdSSR 1989, 130 Min.

11.2. Delphi, 21.30 Uhr

12.2. Arsenal, 12.30 Uhr

13.2. Akademie, 19.30 Uhr