Stammheim made in USA

■ „Through the Wire“ von Nina Rosenblum im Panorama

Die Kamera, die sich ihren Weg durch Drahtgeflechte und lange Gefängniskorridore suchen muß, beleuchtet eine Tatsache, die hierzulande wenig Beachtung findet: daß es in den USA politische Gefangene, Folter und Isolationshaft in Hochsicherheitstrakten nach dem Stammheim-Modell gibt. Die drei politischen Gefangenen, von denen der Dokumentarfilm Through the Wire berichtet, sind Frauen, deren Anklage auf Waffenbesitz und Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen lautet: Silvia Baraldini, Alejandrina Torres und Susan Rosenberg. Gefährlichster Kriminalität verdächtigt, wurden sie im Lexington-Gefängnis von Kentucky unter Haftbedingungen gehalten, die von amnesty international als Folter bezeichnet werden. Im sogenannten „control unit“ untergebracht, einem unterirdisch angelegten Gefängnistrakt, der wegen seiner totalen Abgeschlossenheit von der Außenwelt „weißer Bunker“ genannt wurde, hatten sie weder Besuchs- noch Telefonrecht und waren einer Vielzahl von Willkürhandlungen ausgesetzt: wiederholtes nächtliches Wecken, Vergewaltigungen durch den Gefängnisarzt, von Männern ausgeführte Leibesvisitationen nach jedem Hofgang, weshalb die Frauen nach einer gewissen Zeit darauf verzichteten; ständige Videoüberwachung sogar während des Duschens, Zwangsarbeit, die im Falten von Soldatenunterwäsche bestand, medizinische Vernachlässigung mit dem Ergebnis rasanten körperlichen und psychischen Verfalls.

Baraldini, 1982 wegen Fluchthilfe zu 43 Jahren Haft verurteilt, wurde von einem kalifornischen Gefängnis nach Lexington überführt, als sie dem FBI ein Interview verweigerte. Susan Rosenberg, angeblich die gefürchtetste Gefangene der Vereinigten Staaten, wurde wegen Beteiligung an einer Serie von Bombenanschlägen im Zuge der US -Intervention in Grenada zu mehr als 50 Jahren Haft verurteilt. Ihre Eltern, obwohl anderer politischer Gesinnung, kämpfen seit Jahren um Hafterleichterungen für ihre Tochter. Alejandrina Torres gehörte zu einer Gruppen links gerichteter Puertorikaner, die gegen die imperialistische Politik der USA protestieren. Sie wurde aufgrund dieser Mitgliedschaft zu 35 Jahren Haft verurteilt.

Dank der Proteste unter anderem von amnesty international wurde der Hochsicherheitstrakt von Kentucky 1988 geschlossen. Die drei Frauen wurden in verschiedene Gefängnisse in New York, Washington und San Diego überführt. Jetzt droht ihre erneute Verlegung in einen Hochsicherheitstrakt für Frauen, in das Shawnee Control Unit von Marianna in Miami.

Obwohl Nina Rosenblum versucht, durch Befragung der Anwälte der Gefangenen und eines Gefängnispsychologen, durch Einblendung von Politiker- und Gefängniswärteraussagen ein genaues Bild zu vermitteln, bleibt der Einblick skizzenartig - es läßt sich nicht ersehen, inwieweit diese drei Fälle paradigmatischen Charakter für die USA haben. Von amnesty international gesponsert, ist der Film ein filmisch eher vernachlässigter ai-Leistungsnachweis.

Michaela Ott

Nina Rosenblum: Through the Wire, USA 1989, 85 Min.

10.2. Atelier am Zoo, 16.30 Uhr

11.2. Urania, 16.30 Uhr

12.2. Filmpalast, 16.30 Uhr