Hoch lebe die Dauerwelle

■ „Magnolien aus Stahl“ von Herbert Ross

Jeder der auch nur das geringste an den aufgedonnerten Miezen von Dallas oder dem Denver Clan auszusetzen hat, hüte von nun an seine Zunge. Es gibt weit Schlimmeres, und zwar nicht etwa im Fernsehen in gut portionierten 30 -Minuten-Sendehäppchen - nein, im Kino zur Eröffnung eines Filmfestivals, das einmal den Ruf genoß, künstlerisch hochwertige Produktionen zu präsentieren. Herbert Ross‘ Magnolien aus Stahl, mit denen die Berlinale gestern ihr 40jähriges Jubiläum beging, zeigt deutlicher als jede theoretische Abhandlung über das Kino der 80er Jahre, wohin die Reise geht.

Hollywood hat endlich die Frauen entdeckt. Nicht die jungen, wunderschönen Glamour-Girls - Filme mit und über die gab es schon immer - nein, jetzt sind die Alten und unheilbar Kranken dran, die ihr Klimakterium durch regelmäßige Besuche im Kosmetikstudio zu überwinden suchen. Ross hat gleich sechs Exemplare dieser Gattung zu Hauptdarstellerinnen seines neuesten Films gemacht. Die treffen sich fast täglich bei der mitfühlenden Leib-und -Magen-Coiffeuse, um ihrem Kummer über schlecht sitzende Frisuren, schmerzhaftes Schamhaarzupfen und pinkfarbenen Nagellack Luft zu machen. Ihre größte Sorge gilt der einen jungen Schönen, die ihrer bevorstehenden Hochzeit entgegenfiebert. „I want a baby of my own“, jammert die unglückliche Shelby (Julia Robert). Dabei hat sie schon alles Glück dieser Erde, nebst feschem Ehemann, fürsorglicher Familie und verständnisvollen Freundinnen. Doch, oh Gott, die Arme leidet an Diabetis, was sie in einem dramatischen Insulinschock im Kosmetiksalon eindrucksvoll zur Schau stellt, und die Ärzte haben ihr Kinderkriegen strengstens verboten. Das Kind wird trotz Warnung in die Welt gesetzt, die Schwangerschaft ruiniert ihr jedoch komplett die Nieren. Die aufopferungsbereite Mutter (Sally Field) gibt ihr kurzentschlossen eine ihrer eigenen Nieren ab, hilft aber nichts, das tapfere Mädchen muß sterben.

Durch diesen außerordentlich feinsinnigen Regiekniff erhält Sally Field ihren großen Auftritt. Beim feierlichen Begräbnis auf dem Friedhof vollführt sie ein 10minütiges dramatisches Abschiedsweinen, das ihr mit Sicherheit wieder einen Oskar einbringen wird, wie schon damals in dem Rührstück Places in the heart.

Ross ist kein Klischee zu abgenutzt, kein Schmalztopf zu triefend, daß er ihn nicht überm Publikum ausschütten würde. Daryl Hannah, die bei Woody Allen bewiesen hat, daß sie schauspielen kann, wird in die Rolle der verklemmten Kleinstadtmaus gezwängt. Im Laufe des Film darf sie zwar öfters die Frisuren wechseln, die gnadenlos naiven Dialoge muß sie allerdings bis zum bitteren Ende vortragen. Selbst Shirley McLaine, die eine schrullig-sarkastische Witwe mimt, deren Hund an chronischem Haarausfall leidet, zeigt nur ein plumpes Abziehbild der Madame-Sousatzka-Leistung.

Männer spielen in dem Drama nur untergeordnete Rollen, sind entweder trottelige Ehegatten, die mit Pietolenschüssen Tauben verjagen (Tom Skerritt), pubertäre Footballspieler oder verständnislose Holzklötze (Sam Shepard). Wenn es allerdings darum geht, zu entscheiden, daß die medizinischen Apparate, die die im Koma dahinsiechende Shelby noch am Leben erhalten, abgeschaltet werden, unterschreiben sie das Formular.

„Ich weiß nicht, wie es in dir drin aussieht, deine Frisur hat alles prima überstanden“, tröstet die Frisöse (Dolly Parton) ihre heulende Freundin nach der Tauerfeier. Es lebe die Familie, es lebe die Dauerwelle, es lebe der „glamour -technician“, ein Begriff, den Herbert Ross der Kosmetikerin als Berufsbezeichnung in den Mund gelegt hat. Er hätte diesen Titel wohl eher verdient.

Ute Thon

Steel Magnolia (Magnolien aus Stahl - Die Stärke der Frauen) von Herbert Ross. Mit: Sally Field, Dolly Parton, Schirley McLaine, Daryl Hannah, Olympia Dukakis und Julia Roberts, USA 1989, 123 Minuten

Samstag 19.30 Uhr, Kosmos Kino, 23.30 Uhr Urania.