Hollywoods Technicolor-Sklaven

■ Entstehungsgeschichte eines linksliberalen Monumentalschinkens / „Spartacus“, Samstag, ARD, 20.15 Uhr

Engagierte Linke hatten es in den Vereinigten Staaten von Amerika immer verdammt schwer. Dem 1914 in New York als Walter Ericson geborenen und später als Howard Melvin Fast bekannt gewordenen Erzähler ging es da nicht anders. Während der großen Depression trampte er als Gelegenheitsarbeiter durch die USA, später schrieb er dann eine Reihe historischer Romane über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Rassismus gegenüber Schwarzen und Indianern. Die Bücher und seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei der USA (bis 1957) verschafften dem Stalinpreisträger in den späten 40er und frühen 50er Jahren

-der sogenannten McCarthy-Ära- mehrere Vorladungen vor den gefürchteten „Ausschuß für unamerikanische Umtriebe“. Seinen wohl berühmtesten Roman, Spartacus, konnte der Autor 1952 nur im Selbstverlag herausbringen.

Hollywood hatte noch nie Probleme mit irgendwelchen Linken

-solange mit ihnen ein Dollar zu verdienen war. 1959 war ein äußerst günstiges Jahr, um die Geschichte des thrakischen Sklaven Spartacus auf Zelluloid zu bannen. Schon seit einiger Zeit stürmten Statistenheere in Technicolor über die neue Cinemascope-Leinwand. Monumentalschinken wie Das Gewand, Die Zehn Gebote und Ben Hur brachten die Kassen der Traumfabriken zum klingeln. Der Senatsausschuß zur Untersuchung der „roten Gefahr“ war 1955 aufgelöst worden, und Joseph McCarthy, sein finsterer Vorsitzender, 1957 gestorben. Die Zeit für ein linkes Märchen, für einen aufrecht gehenden Breitwand-Helden war gekommen; Spartacus war mehr als reif!

Kirk Douglas‘ Produktionsgesellschaft Bryna beschaffte sich die Rechte an dem Buch. Damit war schon mal klar, wer die Titelrolle in der Freiheitskämpfersaga übernehmen und wer der Boß sein würde. Jetzt brauchte man nur noch ein paar Angestellte und ein paar tausend Statisten. Anthony Mann (Winchester 73, Die Glenn Miller Story) wurde als Regisseur ausgesucht. Auch die Schauspieler waren schnell gefunden, als Fiesling Marcus Grassus wurde der in Shakespeare-Dramen gestählte Laurence Olivier (damals noch ohne Sir), als Varinia Jean Simmons und als Senator Gracchus Charles Laughton angestellt. Peter Ustinov sollte den Besitzer der Gladiatorenschule, Batiatus, und Tony Curtis den Lust- und Leibsklaven Antoninus darstellen. Und Kirk Douglas, der Mann mit dem tiefsten Kinngrübchen Amerikas, spürte wohl den neuen Wind der Freiheit und engagierte als Drehbuchschreiber noch einen „Kommunisten“. Dalton Trumbo hatte, wie sein Kollege Fast (beide waren sich übrigens spinnefeind und redeten nicht miteinander), ebenfalls des öfteren als Gast vor dem oben erwähnten bösartigen Ausschuß gestanden und wurde als einer der „Hollywood Ten“ fast ein Jahrzehnt lang von keinem Studio beschäftigt. Das Drehbuch zu Spartacus schrieb er als sein erstes nach den Jahren der „Schwarzen Liste“.

Aber so ganz traute Kirk Douglas dem Frieden wohl noch nicht. Peter Ustinov erzählt in seiner Autobiographie (Dear Me, zu deutsch Ich und Ich), daß man dem Lohnschreiber in der Anfangsphase ein Pseudonym verpaßt hatte: „Es durfte keinesfalls bekannt werden, daß der Drehbuchautor, Sam Jackson, in Wirklichkeit Dalton Trumbo war. Ich kam dahinter, weil der Regisseur Anthony Mann dieses ganze Theater unbeschreiblich lächerlich fand und mich mit zu Dalton Trumbo nahm, der zurückgezogen in einer Seitenstraße in Pasadena wohnte...“

Soweit - so schlecht. Man hatte alle und alles beisammen. Geld (zwölf Millionen Dollar) stand auch genug zur Verfügung. Es konnte losgehen. Aber schon nach einer Woche Drehzeit muckte einer der Angestellten auf. Ausgerechnet der Regisseur entwickelte - Gipfel der Unverschämtheit - eigene Vorstellungen, wie der Film auszusehen hätte. Er wurde natürlich sofort gefeuert.

Ein paar Tage später sitzen die drei britischen Schauspieler - Olivier, Laughton und Ustinov - wartend in den Kulissen. Endlich erscheint ihr Boß, in seiner Begleitung ist ein junger Mann mit großen Augen. Sein Name: Stanley Kubrick. Er ist zu dem Zeitpunkt 30 Jahre alt, aber Kirk Douglas hat später geschworen, daß er damals keinen Tag älter als 18 aussah. Die drei Briten sind offensichtlich verwirrt, und Laughton ruft entsetzt aus: „Soll der etwa bei uns Regie führen?“ Nun, er sollte. Die drei englischen Stars rächten sich später schrecklich, indem sie die Rampensau Douglas glatt an die Wand spielten. Laurence Olivier war sowieso davon überzeugt, daß echte Mimen nur auf der britischen Insel aufwachsen würden: „Ihr anderen, ihr amerikanischen Schauspieler, ihr seid genau wie eure Football-Spieler: Ihr wartet, bis euch die Wahrheit gleichsam zufällt, um dann mit ihr loszustürmen. Wir Engländer, wir stürmen los, sobald sich der Vorhang gehoben hat, in der Hoffnung, die Wahrheit einzufangen“, was ihn aber nicht daran hinderte, sich während der ganzen Dreharbeiten mit seinem britischen Kollegen Mr.Charles Laughton heftig zu streiten. Die beiden hegten eine innige, uralte Feindschaft. Auch sonst war nicht alles Friede-Freude -Eierkuchen bei dieser Produktion: „Es gab so viele Intrigen wie in der guten alten Zeit in einer Balkanregierung“, erinnert sich Ustinov.

Für Stanley Kubrick war es das erste Mal, daß er an einer Superproduktion mitarbeitete. Mit Kirk Douglas hatte er schon in Wege zum Ruhm zusammen gefilmt, und der junge Regisseur war schlau genug, sich in den 167 Drehtagen und den Monaten der Endfertigung nicht mit ihm anzulegen. Er fügte sich in die Rolle des typischen Angestellten und erfüllte pflichtbewußt seine Aufgaben, als da wären: Einstellung festlegen, Schauspieler führen, Schnitt überwachen. Trotzdem schaffte er es, manch eigene Stilelemente unterzubringen. So bringt er in einigen Massen und Kampfszenen eine außergewöhnliche Bildkomposition zustande. Handwerklich perfekt beschert er uns all diese tollen Kamerakranfahrten, die den Zuschauer in die Vogelperspektive versetzen und ihm so das Gefühl geben, wirklich Geschichte zu betrachten. Leider aber auch diese langen Schwenks und die sich dauernd wiederholenden Szenen im Lager des brüderlich vereinten Sklavenheers, in ihrer kitschigen Sozialromantik nur noch übertroffen von den Liebesszenen, in denen Kirk Douglas ausgiebig mit Jean Simmons rumsülzen darf. Sex gibt es keinen in dem Film. Varinias Schwangerschaft ist ein zweiter Fall von unbefleckter Empfängnis und eine Szene, in der Crassus sexuelle Gelüste auf den niedlichen Tony Curtis alias Antoninus bekommt, wird gestrichen. Überhaupt handelt es sich bei dem ganzen antiken Revolutionsspektakel natürlich um eine sehr freie Auslegung der historischen Fakten und eine starke Vereinfachung der Ereignisse. Wir reden hier schließlich von Hollywood.

Die ursprüngliche Fassung von 196 Minuten stutzte man dann noch auf 184 zurecht. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß DDR 1 den Film letztes Jahr in einer 175minütigen Fassung ausstrahlte. Leider konnte ich nicht feststellen, welche staatsgefährdenden neun Minuten der Zensur zum Opfer fielen.

Zweifellos konnte Stanley Kubrick während dieser Mammutproduktion wichtige Erfahrungen in filmischer Logistik, Organisation und im Umgang mit den großen Studios sammeln, wenn aber dem Regisseur, zumal einem Künstler von Kubricks Rang, der entscheidende Einfluß auf das Buch entzogen wird, kann das nur schiefgehen. Kubrick selbst denkt eher mit Bedauern als mit Groll an seine Arbeit für Spartacus zurück: „Für mich war der Film eine Enttäuschung; er hatte alles, nur keine gute Story“. Stanley Kubricks Zeit, in der er sein ganzes Talent beweisen konnte, sollte noch kommen. Im Hinblick darauf enthält wenigstens einer der pathetischen Schlußsätze von Kirk „Spartacus“ Douglas einen gewissen Wahrheitsgehalt: “...und trotzdem haben wir das Wunder erlebt, daß Menschen aus den Sklaven wurden, die ihre Köpfe hoch erhoben, daß sie aufstanden aus dem Staub, daß sie groß wurden.“

Karl Wegmann