„Blitzmädels“ und falsche Schlagsahne

■ Eine Ausstellung im Münchner Frauenkulturhaus über den Alltag deutscher Frauen im Zweiten Weltkrieg

Rezept für falsche Schlagsahne, 1 Tasse Zucker, 1 Eiweiß, 1 Tasse Apfelsaft“, steht auf einem vergilbten Zettel; daneben liegt eine kleine Pappschachtel mit einem schäbigen Brillenetui, einem Hakenkreuz aus Metall und einigen Ehrenabzeichen. „Persönliche Habe eines Gefallenen“, zurückgeschickt aus „dem Feld der Ehre“ an die Mutter. In der rechten Ecke der Vitrine lehnt die Gasmaske, davor die Urkunde für das Mutterehrenkreuz für Leonore Braun, unterzeichnet hat sie der „Führer“.

Die Glasvitrine ist der erste Blickfang der Ausstellung „Blitzmädel - Heldenmutter - Kriegerwitwe“ im Münchner Frauenkulturhaus. Sie ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen von Gerda Szepansky, ein Versuch, das Alltagsleben von deutschen Frauen während des Zweiten Weltkrieges und ihre Rolle in der NS-Ideologie aufzuzeigen. Bilder von stolzen deutschen Mädels, die den Spaten geschultert haben oder sich im Stil der sauberen Freikörperkultur dem Ball entgegenstrecken. Motto: „Gesundes Mädchen - gesunde Mutter - gesundes Volk“. Die bekannte Glorifizierung der Mutterrolle, die zentrale Rolle der Frau, Kanonenfutter zu liefern, wird anschaulich und beklemmend vorgeführt. Aber auch die „Auslese“, die damit verbunden war. Die Propagierung des Mutterehrenkreuzes sei in der Herausstellung der Bedeutung und des Wertes der kinderreichen Familie zu sehen. Die Auslese für die Verleihung müsse nach wie vor sehr scharf sein. Die Bedeutung des Mutterkreuzes würde nämlich stark sinken, wenn Mütter sozial oder sonst unerwünschter Familien mit der Auszeichnung bedacht würden. Größter Wert müsse „auf den Erbwert der Eltern bzw. der Sippe gelegt werden“, betont ein Geheimbericht des Sicherheitsdienstes vom Mai 1943. Kreißsaal:

Schlachtfeld der Mütter

Für die Mutterschaft konditioniert wird schon früh. „Der BDM hat ein klares Ziel: das deutsche Mädel zur deutschen Frau zur wahrhaften Mutter des Volkes zu erziehen“, heißt es. Die Sprache klingt klar und einfach, ohne Doppeldeutigkeit; der gerade, sichere Weg ist vorgezeichnet. Ob es das war, was Frauen an der Nazi-Ideologie faszinierte? „Jedes Kind, das die Mutter zur Welt bringt, ist eine Schlacht, die sie besteht für Sein oder Nichtsein ihres Volkes“, so ein Hitlerzitat. Die Frau als Lebensborn und Kämpferin. Dieses Pathos holte Frauen offensichtlich aus ihrer Bedeutungslosigkeit. Die Bildtafel mit der Aufschrift „Musterhausfrau“ gibt eine Erklärung für die „Führertreue“ der Frauen. „Die öffentlich propagierte Anerkennung ihrer Arbeit als Hausfrau empfanden viele Frauen als frauenfreundliche Politik der Naziregierung“, schreibt Gerda Szepansky. Selbst mit der Rationierung der Lebensmittel und Kleidung wird noch an das Organisationstalent der Frau appelliert. „Das Einmaleins der Kleiderkarte“, so die in altdeutschen verschnörkelten Buchstaben gedruckte überschrift auf einem Flugzettel, wird ihr beigebracht. „1945 wurde die Fettration auf 125 Gramm reduziert, im letzten Halbjahr des Krieges betrug die wöchentliche Brotration 1.700 Gramm“, erläutert der Begleittext auf der Schautafel dagegen die Realität.

„Elegante Strümpfe aus Chemnitz auf die Reichskleiderkarte“, verspricht eine Werbung daneben. „Ein Urteil: Frl. Johanna Schanz, München, schrieb: Ich glaubte schon, durch die Reichskleiderkarte wäre unsere geschäftliche Verbindung erschwert. Aber das Gegenteil ist der Fall. Alles geht reibungslos und genau wie früher“, freut sich die zufriedene Kundin aus dem Werbetext. Kriegsalltag

Doch im „Bombenalltag“ der Frauen waren „elegante Damenstrümpfe“ bald wenig Trost. „Die Kinder wollten nicht in den unerträglichen Bunker. Denn dort mußten sie sich ganz ruhig verhalten. „Ein sprechendes oder gar schreiendes Kind verbrauchte zuviel Luft“, berichtet Hilde Auer, eine der von Gerda Szepkansky befragten Frauen. Sie mußte ihr krankes Kind ins Krankenhaus geben, das weder ausreichende medizinische Versorgung noch Sicherheit bieten konnte. Das Krankenhaus brannte bei einem Bombenangriff ab, die kleinen Patienten kamen in den Bunker. Dort ist ihr Kind in den Armen einer Krankenschwester gestorben.

Die Gebärfreudigkeit der „deutschen Mütter“ hat zu diesem Zeitpunkt längst abgenommen. Das registriert auch ein Geheimbericht. „Seit dem Rußlandfeldzug stößt man immer mehr auf die Ansicht, daß man jetzt mit dem Kinderkriegen aufhören müsse. Der Wille zum Kinderkriegen ist weiterhin gesunken.“ Auch, daß die Zahl der Fehlgeburten um zehn Prozent zugenommen hat, wird vom Sicherheitsdienst vermerkt. Widerstand

Aber auch der „Mut zum Widerstand“ wird dokumentiert. „Bleib ebenso tapfer wie ich es bin - und wenn ich gleich sterben werde“, schreibt die Antifaschistin Margarethe Schäffer kurz vor ihrer Hinrichtung an ihren Vater. Vom Feldgericht Berlin wird sie am 21.März 1944 zum Tode verurteilt, weil sie Hitler als „größten Verbrecher aller Zeiten“ bezeichnete.

„Bolle Anna, so genannt, weil sie im Krieg in der Kantine der Bolle-Meierei-Zentrale, Alt-Moabit 99, arbeitete, wurde von Kolleginnen dabei beobachtet, wie sie russischen Kriegsgefangenen heimlich Reste des Kantinenessens zusteckte“, erzählt ein weiteres Beispiel. „Vielleicht ist mein Sohn auch darauf angewiesen, daß ihm eine Frau eine Scheibe Brot, ein Stückchen Wurst oder auch nur einen Schluck Wasser gibt“, rechtfertigte sich die Berlinerin.

Während die einen ihren „Leidensweg“ im Widerstand gehen, stehen die anderen als Flakhelferinnen an der Front. Bereits zu Kriegsbeginn waren 160.000 Frauen als Zivilbedienstete in Hilfsfunktionen der Militärverwaltung. „Lisa, nimm die Pistole und schieß mich tot“, bettelt ein Unteroffizier die Flakhelferin nach einem englischen Tieffliegerangriff an. „Schreckliche Erinnerungen werden wieder wach“, schreibt eine der BesucherInnen ins Ausstellungsbuch. Darunter: Jahrgang '22. Eine andere Zeitzeugin fordert: „Das alles sollten wir doch nicht vergessen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht noch das „Rezept für Friedenszeiten“: „Tu in den Topf die Bohnen, nimm Salz und Bohnenkraut, nimm Butter statt Kanonen, weil sich das leichter kaut.“

Luitgard Koch

Die Ausstellung ist noch bis 25.Februar im Frauenkulturhaus zu sehen; Richard-Strauss-Str.21, München 80, DI-FR 18.00 -22.00 Uhr, SO 11.00-17.00 Uhr