Weniger Gorleben, mehr Wohnungen

■ Niedersächsische SPD segnete in Delmenhorst einstimmig ihr Wahlkampf-Programm ab

Gerhard Schröder genoß sichtlich den edlen Tropfen. Nach dem Landesparteitag in der Delmenhorster Delmeburg hatte der Spitzenkandidat der niedersächsischen SPD für die Wahl am 13. Mai am Samstag abend allen Grund, zufrieden zu sein. Das Wahlprogramm war reibungslos und einstimmig unter Dach und Fach gebracht worden. Die Delegierten hatten begriffen, daß sich die SPD wenige Monate vor der Wahl keinen internen Streit mehr leisten kann. In der Debatte um das geplante Atommüllager Schacht Konrad, als die Parteitagsdramaturgie das einzige Mal ins Wanken geriet, hatte Schröder die Genossen am Ende auf Kompromißlinie gebracht. Bei einem prinzipiellen „Ja“ zur Einlagerung von Abfall aus Kernkraftwerken in dem einstigen Salz

bergwerk, hätte sich die Kandidatin für das Umweltressort, die Greenpeace-Mitbegründerin Monika Griefahn, vermutlich postwendend verabschiedet.

Der Ausstieg aus der Atomenergie in Niedersachsen soll durch die Stillegung des AKW Stade eingeleitet werden. Das in Gorleben geplante unterirdische atomare Endlager lehnt die SPD ab. Die SPD will außerdem den erst vor einer Woche von der CDU/FDP-Regierung genehmigten Bau der Pilotkonditionierungsanlage für atomare Abfälle in Gorleben verhindern.

Ansonsten wollen die Sozialdemokraten die sozialen Probleme in Niedersachsen in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen. Die sozialen Auswirkungen dürften auch auf dem Weg zur deutschen Einheit nicht vernach

lässigt werden, betonte SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder, der nach der knappen Niederlage vor vier Jahren zum zweiten Mal gegen Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) antritt. Mit einem Dringlichkeitsprogramm con 250 Millionen Mark will die SPD unter anderem die neue Sozialwohnungen und Kindergartenplätze finanzieren, zusätzliche Lehrer und Altenpfleger einstellen, Lernmittelfreiheit einführen sowie eine Modernisierung der Wirtschaft, die Abfallverringerung und mehr Trinkwasserschutz durchsetzen.

Seit 1976 sind die Sozialdemokraten in Niedersachsen in der Opposition. Der 45 Jahre alte Schröder tritt zum zweiten Mal gegen Ernst Albrecht an. Verliert er, wie knapp auch immer, ein zweites Mal gegen den inzwi

schen seit 14 Jahren regierenden CDU-Mann, sagen ihm Genossen das frühe Ende seiner politischen Karriere voraus.

SPD-Parteichef Hans Jochen Vogel ging in einer begeistert aufgenommenen Rede auch auf die Deutschlandpolitik ein. Er kritisierte massiv die Spekulationen in der Bundesregierung vom Freitag, wonach die DDR vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehe. Dies könne er nur als „verantwortungslos geißeln“. Von Bundeskanzler Helmut Kohl forderte er im Zusammenhang mit dessen Moskau-Reise eine Klarstellung zur polnischen Westgrenze. Kohl sollte unmißverständlich deutlich machen, daß die Nachkriegsgrenzen für die Bundesrepublik unverrückbar seien.

Andreas Möser/dpa