„Auch über Datenschutz reden“

■ Interview mit der AL-Datenschutzexpertin Lena Schraut zum heute stattfindenden Gespräch der Berliner Polizeipräsidenten / Polizisten sollen Gefahren abwehren, aber nicht gemeinsam Strafverfolgung betreiben

Polizeipräsident Schertz will sich heute mit seinem Ost -Berliner Kollegen treffen. Ein Hauptthema: Ost-West -Zusammenarbeit bei Ermittlungen und Fahndungen. Hintergrund: Zwischen West-Berlin und der DDR gibt es noch kein Rechtshilfeabkommen. Trotzdem gab es schon vor dem 9. November und außerhalb gesetzlicher Grundlagen einen Informationsfluß von der Polizei (West) zur Polizei (Ost). Nach Öffnung der Grenzen hat sich diese rechtsfreie Zusammenarbeit verstärkt. Über den polizeilichen Informationsaustausch sprach die taz mit der innenpolitischen Sprecherin der AL, Lena Schraut.

taz: Morgen treffen sich in Ost-Berlin zum erstenmal die beiden Berliner Polizeipräsidenten. Auf welcher gesetzlichen Grundlage finden diese Gespräche statt?

Lena Schraut: Grundsätzlich ist es nicht möglich, daß die beiden Polizeipräsidenten ein Rechts- und Amtshilfeabkommen zum Thema ihrer Gespräche machen, weil solche Abkommen nicht von Polizeipräsidenten, sondern nur zwischen souveränen Staaten abgeschlossen werden können. Aber angesichts des Zusammenwachsens beider Stadthälften ist es sinnvoll, daß die beiden den Informationsaustausch regeln. Sie sollten dabei aber auch über den Datenschutz reden. Zur Zeit gibt es einen Wildwuchs in diesem Bereich und es ist zu befürchten, daß die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht gewahrt werden.

In welchen polizeilichen Bereichen kann ein Informationsaustausch sinnvoll sein?

Die Polizei in Ost und West hat zwei Arbeitsbereiche, in denen sie tätig wird und in denen sie auch Informationen austauscht. Das ist zum einen der Bereich der „Gefahrenabwehr“ und der Bereich „Strafverfolgung“. Die Polizei sollte, wie bisher auch schon üblich, den Informationsaustausch bei der Strafverfolgung nicht leisten, das sollte weiterhin ein Arbeitsbereich der Generalstaatsanwälte Ost oder West sein. Den Datenaustausch zum Zweck der Gefahrenabwehr sollte die Polizei übernehmen, mit Ausnahme des Sonderfalles „Strafverfolgung auf frischer Tat“. Mit anderen Staaten ist diese Arbeitsteilung schon lange geregelt.

Welche Sicherungen müssen in einer Absprache eingebaut werden, damit einerseits die Rechte der Betroffenen gewahrt bleiben, andererseits Tatverdächtige festgenommen werden können?

Die beiden Polizeipräsidenten sollten verabreden, daß in beiden Behörden eine Stelle eingerichtet wird, die den gesamten personenbezogenen Informationsaustausch regelt. Diese Stelle sollte vor jedem Informationsaustausch prüfen, ob Daten überhaupt weitergegeben werden müssen und sie müßte jeden Entscheidungsschritt genauestens protokollieren, damit der Vorgang transparent bleibt. Grundsätzlich sollten die Betroffenen vor jeder Datenweitergabe informiert werden und wenn das in Ausnahmefällen nicht möglich sein sollte, abschließend informiert werden. Darüber hinaus sollte der Berliner Datenschutzbeauftragte in kurzen Abständen alle Vorgänge überprüfen. Grundsätzlich sollten Daten, die zum Zwecke des Informationsaustausches erhoben und weitergegeben werden, nur für diesen Zweck und nicht für andere Zwecke genutzt werden. Als weitere Sicherung muß festgelegt werden, daß das Berliner Abgeordnetenhaus über diese Vorgänge regelmäßig informiert wird, damit sich, gerade weil es noch keine gesetzliche Grundlage gibt, Verfahrensfehler nicht einschleichen.

Interview: Anita Kugler