Sexualberatung in katholischer Hand

■ Hartnäckig werden der Bamberger Pro Familia staatliche Zuschüsse verweigert / Katholische Kirche hat Monopol / Springender Punkt ist Abtreibungsfrage

Es nimmt sich aus wie eine Provinzposse: Seit zehn Jahren bemüht sich die Bamberger Pro Familia um eine finanzielle Unterstützung durch die Kommune und das Land Bayern. Seit Jahren verweigern Stadt und Freistaat mit schöner Regelmäßigkeit die Gelder. Die immergleiche Begründung: Es bestehe kein Bedarf an einer weiteren Einrichtung für Ehe und Familienberatung. Denn es gibt die Caritas, den Sozialdienst katholischer Frauen, die Beratungsstelle der Erzdiozöse...Im oberfränkischen Bamberg thront der Dom eben buchstäblich über der Stadt. So gibt es keinen städtischen Kindergarten, kein städtisches Altenheim - im Sozialbereich dominiert die katholische Kirche nahezu unangefochten. Und selbstverständlich werden die Beratungsstellen von Caritas und Sozialdienst aus dem Stadtsäckel bezuschußt. Aber nicht alle Bürgerinnen und Bürger wollen sich bei Problemen mit Verhütung und Sexualität oder bei Ehekrisen nun unbedingt an katholische Stellen wenden: Im vergangenen Jahr konnten die MitarbeiterInnen von Pro Familia rund 700 Beratungen verzeichnen. Mit über 400 TeilnehmerInnen waren auch Seminare und Kurse gut besucht. Trotz dieser Leistungen sind die BambergerInnen für ihre Arbeit auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Und ohne die ehrenamtliche Arbeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liefe gar nichts - nur eine halbe Stelle wird aus ABM-Mitteln finanziert. Zu den letztjährigen Haushaltsberatungen sammelte das Frauenforum, ein Zusammenschluß verschiedener Initiativen, sogar über 1.400 Unterschriften, um eine Förderung zu erreichen. Umsonst. Der Stadtrat, seit Jahrzehnten fest in CSU-Hand, schmetterte die Anträge von SPD und Grünalternativen wie gewohnt ab. Aufschlußreiches Detail: Stadträtin Luise Zenk (CSU), die die Ablehnung begründete, ist zugleich Vorsitzende des katholischen Sozialdienstes und dürfte an Konkurrenz kaum interessiert sein.

Auch der Freistaat verweigert seit Jahren eine Unterstützung. Auch hier zog man sich auf das Bedarfsargument zurück. Seitdem aber die oberfränkische Landesregierung auf einem Hearing den Bedarf offiziell feststellte, redete sich das bayerische Arbeits- und Sozialministerium damit heraus, die Finanzierung von Beratungseinrichtungern müsse „dauerhaft“ gesichert sein, und das sei zuerst Aufgabe der Kommune. Dabei verlangt Pro Familia keineswegs Unsummen: der bei der Stadt beantragte Zuschuß beträgt 11.000 D-Mark, vom Land Bayern will man 14.000 D-Mark. Dazu hieß es aus München, der Haushaltstitel für Familienberatung sei für 1989/90 schon ausgeschöpft. Die Bamberger Pro-Familia-MitarbeiterInnen empfinden dies als vorgeschoben. Sie vermuten politische Gründe hinter der Ablehnung: „Man mag unsere Art der Beratung einfach nicht“, meint Leiterin Jutta Franz. Dabei haben die Bambergerinnen mit dem heiklen Bereich Abtreibung und Paragraph 218 direkt gar nichts zu tun. Ihre staatliche Anerkennung erstreckt sich auf die Felder Ehe- und Familienberatung, dazu gehört für Jutta Franz selbstverständlich auch die Beratung bei ungewollter Schwangerschaft. Aber eine Bescheinigung, die nach Paragraph 218 für den legalen Abbruch notwendig ist, dürfen sie nicht ausstellen. Und das ist auch gewollt so: Eine Anerkennung als Beratungsstelle nach Paragraph 218b steht für die Bamberger Pro Familia nicht zur Debatte. Denn in Bayern bedeute dies, so Jutta Franz, personelle und finanzielle Auflagen, die die Bamberger so nicht leisten können und wollen. Diese Einstellung sei den Behörden auch bekannt.

Dennoch ist die Befürchtung, die Pro Familia könnte zu weitgehend zu Fragen ungewollter Schwangerschaft Stellung nehmen, der springende Punkt für die Finanzunwilligkeit. In dem jüngsten Schreiben aus München wurde denn auch die Katze aus dem Sack gelassen: Die Münchner verlangten, durch „eine genaue Beschreibung der Beratungstätigkeiten“ müsse ausgeschlossen werden, daß Pro Familia „Tätigkeiten im Bereich Schwangerschaft und Paragraph 218“ ausübe.

Das letzte Wort in puncto Finanzierung ist aber noch nicht gesprochen. Auf einer BürgerInnenversammlung brachte das Frauenforum erneut den Förderungsantrag ein. Nach bayerischem Recht muß sich der Stadtrat nun innerhalb der nächsten drei Monate nochmals damit befassen. Diesmal soll die CSU-Phalanx bröckeln. Immerhin sind im März Kommunalwahlen. Und in Bamberg füllten Beiträge für die Pro Familia tagelang die Leserbriefspalten.

Helga Lukoschat