„Boxen ist brutal, aber gerecht“

Der Versuch von Henry Maske, in der DDR erfolgreichster Boxer aller Zeiten, von seiner Vergangenheit als Staatsamateur in eine Zukunft als Profi zu wechseln / Die taz beobachtete den Champ (1,90 Meter, 82 Kilogramm) am „Lesertelefon“  ■  Von Herrn Thömmes

Ost-Berlin (taz) - Im Grunde gilt Henry Maske als zurückhaltend. Der Boxer sagt von sich selbst: „Ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun.“ So kämpft er auch, spötteln seine Kritiker: Die Arme oben, gelegentlich eine Schlag, dann wieder die Arme oben - volle Deckung. Und Maske weiß, „daß es meinen Kämpfen an optisch spektakulären Aktionen mangelt“.

In diesen Tagen allerdings geht der erfolgreichste DDR -Amateurboxer aller Zeiten häufiger in die Offensive; er muß sich rechtfertigen. Grund: Der Mann aus Frankfurt an der Oder - 1,90 Meter, 82 Kilo - will im Westen Profi werden. Vor gut einem Jahr noch hörte sich Henry Maske so an: „Amateur- und Profiboxen unterscheiden sich wie Feuer und Wasser. Ich verabscheue, daß der Mensch zur Ware wird.“ Solche Sätze werden dem 26jährigen jetzt vorgehalten, weshalb er keine Gelegenheit verstreichen läßt, seinen Sinneswandel zu erklären.

Hierhin 1sp Portrait

Am vergangenen Donnerstag saß er in der Redaktion des 'Deutschen Sportecho‘ am Lesertelefon und erwartete die Publikumsbeschimpfungen: „Ich hab‘ zu Hause gesagt, die sollen alle anrufen, damit auch was Gutes rüberkommt.“

Man entnimmt den Medien viel Ablehnung gegenüber Ihrem Vorhaben. Auch der Verband stellt sich gegen Ihren Schritt. Warum?

Norbert Graul, Berlin

Die Medien in Ost und West waren erst einmal sehr voreilig im Urteil. Was der Verband und hier ganz besonders Trainer Günter Debert angeht, so glaube ich, sie haben Angst, daß mir andere Spitzenboxer der DDR folgen, sofern ich Erfolg habe, natürlich. (...) Natürlich ist auch das Verhältnis generell zum Profiboxen in der DDR etwas gestört, weil die Informationen darüber bisher doch sehr einseitig waren. Ich selber habe ja erst jetzt richtig Einblick in dieses Metier erhalten, mußte meine Meinung revidieren. Ein Wendehals im Ring bin ich deshalb keinesfalls.

Allzu häufig wird das Telefon nicht klingeln in den nächsten zwei Stunden, und dem 26jährigen bleibt genügend Zeit, mit den Journalisten der einzigen Sporttageszeitung in der DDR zu plaudern. Obwohl das „nicht meine Welt ist: quatschen, quatschen und quatschen“.

Also, war sie denn falsch, die Kritik an den Profis? Hat er nicht selbst von dieser Branche behauptet: „Die Gesundheit der Athleten wird oft genug zerstört.“ Stimmt schon, das war offizielle Lesart in der DDR, nur: „Ihr wißt doch auch, wieviele in den Ring geschickt wurden mit gebrochenen Händen und Nasen. Es ist doch auch bei den Amateuren nicht alles so in Ordnung.“

Wie weit sind denn die Verhandlungen mit den Managern schon gediehen?

Manfred Göllner, Berlin

Noch sind wir beim Auswählen, beim Sondieren. Konkrete Absprachen haben wir mit keinem getroffen, nichts ist entschieden (...) Dabei geht es nicht um die Höhe der Geldsummen, sondern auch um das sportliche Niveau. Für ein paar Westmark könnte ich auch als Amateur in der Bundesliga boxen. Profi zu werden ist auch ein neuer Reiz für mich.

Jetzt sucht er im westlichen Halbweltmilieu „ein seriöses Unternehmen“, das gewisse Sicherheiten bietet. Weil Trainer und Boxer mit diesem Schritt vieles aufgeben würden: Den Job in der Armee und im Verein, und die Möglichkeit als Amateur Geld zu machen - der Boxverband AIBA verbietet die Rückkehr ins Lager der Dreirundenkämpfer.

Auch einer der Weltmeister, Olympiasieger und dreimal Europameister geworden ist, weiß, wie schnell Karrieren zu Ende sein können. Vor zwei Jahren traf Maske auf den kubanischen Boxer Espinosa, und der „führte mich im Ring vor wie einen kleinen Jungen. Es war schlimm“. Und weil Espinosa sein Spielchen noch zweimal wiederholte war Maske nahe dran, die Handschuhe wegzulegen.

Sind Sie noch in der Volksarmee?

Sylvio Funk, Auma

Ja, ich bin Oberleutnant der NVA. Sollte ich jedoch einen Profivertrag unterschreiben, werde ich aus der Armee entlassen. Dann habe ich auch keinen Klub mehr, der mich unterstützt, sondern muß auf eigenen Hierhin 1sp Telefon-Kari

Beinen stehen. Vielleicht räumt mir später der ASK in Frankfurt gegen einen finanziellen Betrag die Möglichkeit ein, weiter in gewohnter Umgebung zu trainieren. Das hängt aber auch von den Wahlen ab, von der Stellung, die dann der ASK (Armeeklub, d.R.) hat.

Ist das typisch DDR, das Abenteuer des Kapitalismus mit der Sicherheit des realen Sozialismus verbinden zu wollen? Immerhin: „Bei uns Leistungssportlern war ja immer schon die Ellenbogengesellschaft - nur der Beste kam durch.“ Aber Maske glaubt auch: „Wer keine Angst hat, muß ein Dummer sein.“ Denn Profiboxen lebt mit vom Spektakel: „Die Leute wollen sehen, daß es raucht und knallt.“ Ob der ultradefensive Boxer das seinem Publikum wird bieten können?

Soll es gleich über 15 Runden gehen?

Jörg Malter, Malchin

Im Profiboxen gibt es klare Vorschriften. Die besagen unter anderem, daß anfangs die Rundenzahl auf sechs begrenzt ist. Erst später wird es länger gehen. Doch im Training haben wir schon seit vielen Jahren bis zu 15 Runden geboxt. Die Umstellung fällt also nicht sehr schwer. Dennoch ändert sich einiges. So mußte ich bisher all mein Können und meine Physis in drei mal drei Minuten packen. Jetzt wird mehr Zeit zur Verfügung stehen. Das ändert die Taktik.

Vor einem Jahr noch war die Welt einfach; für die, die fragen mußten ebenso wie für die, die zu antworten hatten. Die 'Junge Welt‘, damals noch Zentralorgan der FDJ, an Maske: „Was bedeutet für die Glück?“ - „In einem Land wie der DDR zu leben.“

Die Anrufer vom Donnerstag gehören nicht zu den nachtragenden, sie wünschen dem Boxer „Alles Gute“. Nur sein Verband intrigiert im Schulterschluß mit dem 'Neuen Deutschland‘ und verbreitet Falschmeldungen. Für den Champion ist das „beschämend, beleidigend: An mir hat sich doch ein ganzer Wasserkessel gesund gestoßen“.

Jetzt bleibt für die Zukunft nur die Hoffnung, daß auch bei den Profis gilt: „Boxen ist brutal, aber gerecht.“