Ein Kap der guten Hoffnung?

■ Südafrika paßt sich der neuen Weltpolitik an

Hallelujah“, rief Desmond Tutu in die internationalen Kameras und tanzte. Und selbst Südafrikas neuer Präsident De Klerk war nicht um gewichtige Worte verlegen: Die Freilassung Mandelas „bringt uns an das Ende eines langen Kapitels“, sagte er. Es sei bitter, so schreibt der südafrikanische Schriftsteller Breyten Breytenbach, daß die Welt jetzt auch noch ausgerechnet die lobe, die als einzige auf der Welt das Recht auf Rassendiskriminierung verfassungsrechtlich verankert haben. Wie denn: Ein Unrechtssystem demontiert sich plötzlich selbst?

Jenseits der Freude über die jüngsten Ereignisse am Kap bleibt nach wie vor die Frage nach den wahren Ursachen dieses sich andeutenden Erosionsprozesses. Denn freiwillig gab und gibt die weiße Minderheit ihre Herrschaft bestimmt nicht auf. Der revolutionären Situation der mobilisierten Massen steht ein hermetischer Staats- und Sicherheitsapparat gegenüber, auf den sich die Weißen - immer noch - verlassen können. Die jüngsten brutalen Übergriffe bei Protestaktionen belegen dies. Doch die Stärke des Systems wird mit dessen Überlebensfähigkeit verwechselt.

Im Zentrum dieses Erosionsprozesses steckt nämlich der wirtschaftliche Niedergang Südafrikas. Der Preis der Apartheid hat sich als zu hoch erwiesen. Das beinhaltet die laufenden Kosten für einen gigantischen Sicherheitsapparat wie auch die - qua „Quotierung“ garantierte, konkurrenzlose weiße Dominanz im Staatsapparat und der staatlich regulierten Wirtschaft. Dieses Klima hat sich für die Ökonomie als nicht sehr fruchtbar erwiesen. Dem nationalen wie internationalen Kapital ist es letztendlich egal, welcher Hautfarbe die Auszubeutenden sind. Internationale Ächtung, wirtschaftliche Sanktionen und auch eine nach den traumatischen Erfahrungen der sechziger und siebziger Jahre wiedererstarkte schwarze Opposition haben das ihrige dazu beigetragen, die Weißen (und hier besonders die Buren) in eine Legitimitätskrise zu treiben.

Mit dem Zusammenrücken der Supermächte bei der Lösung von Regionalkonflikten kam außenpolitisch der entscheidende Stein ins Rollen. Der Militärmacht Südafrika und ihrer Destabilisierungspolitik im südlichen Afrika wurde 1988 mit dem New Yorker Abkommen ein Riegel vorgeschoben. Ein Aus also für die militärische Option: Man gibt sich „friedlich“ und läßt sogar ein unabhängiges, demokratisches Namibia vor der eigenen Haustür zu. Seit die Sowjets auf politische Lösungen setzen, stimmt die Welt der Buren nicht mehr. Die „kommunistische Gefahr“, Kernstück ihrer auf weißem Sendungsbewußtsein und einer verquasten Angst vor schwarzer Konkurrenz beruhenden Ideologie, hat sich selbst gebannt.

Mit dem Rücken zur Wand versucht De Klerk in dieser historischen Umbruchsituation zu retten, was zu retten ist. Die Motive sind vorerst klar: Macht zu teilen, ohne welche zu verlieren, Zeit- und Prestigegewinne, um wieder in die internationale Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen zu werden. Von einem Ende der Herrschaft über die Schwarzen ist nicht die Rede, das würde der burischen Identität, Gottes auserwähltes Volk zu sein, die Basis entziehen. In diesem Kräftefeld aus Kommunikation und Konfrontation, aus Dominanz und Dialog, werden sich irgendwann Schwarz und Weiß an einem „runden Tisch“ zusammenfinden müssen. Ein Zurück scheint es nicht mehr zu geben. Und dennoch ist alles weitere Spekulation.

Andrea Seibel