„Open Sky“ im Hintergrund

Konferenz über vertrauenbildendende Maßnahmen im Luftraum: Beratungen über Deutschland im Vordergrund  ■  Aus Ottawa Andreas Zumach

Die Wiener VKSE-Verhandlungen und die künftige Rolle der beiden Militärbündnisse vor dem Hintergrund einer deutschen Neuvereinigung sind die beherrschenden Themen für die heute in der kanadischen Hauptstadt Ottawa beginnende, erste gemeinsame Konferenz der Außenminister aller 23 Staaten der NATO und der Warschauer Vertragsorganisation (WVO). Der ursprüngliche Anlaß für die „Open Sky„-Tagung, die Aushandlung vertrauensbildender Maßnahmen in den militärischen Lufträumen, ist zunächst in den Hintergrund gerückt. In zahlreichen bilateralen Begegnungen wurde bereits am Sonntag die neu entstandene Lage nach den Moskaubesuchen der Außenminister der USA und der BRD, Baker und Genscher sowie von Bundeskanzler Kohl beraten. Gegenüber Baker hatte der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow die Bereitschaft Moskaus zur Reduzierung der in Bündnisstaaten stationierten SU-Truppen auf 195.000 erklärt

-allerdings, nur wenn die Zahl der US-Soldaten in ganz Westeuropa ebenfalls auf 195.000 reduziert wird und nicht nur - wie von der NATO vorgeschlagen - in Zentraleuropa unter Beibehaltung weiterer 30.000 GIs in Großbritannien, Italien, der Türkei und Griechenland. Eine Einigung in der Truppenfrage ist neben dem Problem der Flugzeuge nach wie vor die größte Hürde für ein erstes VKSE-Abkommen.

Zumindest informell dürften sich die Außenminister über Datum und Ort der KSZE-Gipfelkonferenz im Herbst verständigen, in deren Rahmen das Abkommen unterzeichnet werden soll. Ein förmlicher Beschluß darüber kann nur zusammen mit den zwölf neutralen KSZE-Staaten, die zum Teil Beobachter nach Ottawa entsandten, gefaßt werden. Insbesondere WVO-Außenminister erwarten von dem Treffen Aufschlüsse über die von Genscher formulierte Formel vom vereinten Deutschland in der NATO ohne militärische Ausdehnung des Bündnisses nach Osten. So hat Genscher bislang u. a. offengelassen, ob deutsche Soldaten auf dem Territorium der ehemaligen DDR stehen sollen. Ziel des von US-Präsident Bush im Mai 89 gemachten „Open Sky„-Vorschlages ist Vertrauensbildung durch gegenseitige Luftaufklärung mit unbewaffneten Flugzeugen über den Territorien der beiden Bündnisse. Auf der Grundlage eines von Kanada und den USA eingebrachten Entwurfes wollen Experten aller 23 Staaten bis zum 28. Februar einen Vertrag ausarbeiten, der auf einer für April oder Mai in Budapest geplanten zweiten Konferenz unterzeichnet werden soll. Mit Sensoren ausgerüstete Flugzeuge garantieren bei Tag und Nacht weit bessere Aufklärungsergebnisse als die bislang benutzten Satelliten. Die Flugzeuge könnten zur Verifikation künftiger Abrüstungsverträge eingesetzt werden. Noch bestehende technische Probleme gelten nach einem jüngst erfolgten kanadischen Testflug als lösbar. Umstritten zwischen Ost und West ist noch die - für die Genauigkeit der Aufklärung entscheidende - Qualität der Sensoren sowie der sowjetische Vorschlag, beide Seiten sollten gemeinsam dieselben Flugzeuge und Instrumente benutzen.