Protest gegen Antisemitismus

■ Erste Demonstration gegen russische „Pamjat„-Bewegung außerhalb der UdSSR / Die Antisemiten rufen in Sowjetunion für den 5. Mai zu einer „Nacht der langen Messer“ auf

Ost-Berlin (taz) - Gegen die wachsende Verfolgung von Juden in der UdSSR demonstrierten gestern in Ost-Berlin vor der sowjetischen Botschaft die Mitglieder verschiedener jüdischen Gruppen aus beiden Teilen der Stadt. Auf Transparanten in Deutsch, Englisch und Russisch forderten an die hundert DemonstantInnen: „Laßt keine weiteren Pogrome zu“ und an die Adresse des sowjetischen Staatschef Gorbatschow gerichtet „Let my People live“.

Bei der ersten Demonstration gegen die russische rechtsradikal-nationalistische „Pamjat„-Bewegung außerhalb der Sowjetunion wurde ein offener Brief an Michail Gorbatschow und eine Unterschriftenliste dem Botschaftspersonal übergeben. Darin äußerten sich die DemonstrantInnen „sehr besorgt“ über das „Aufflammen antisemitischer Hetze“.

Unter Berufung auf russische EmigrantInnenkreise und Zeitungsberichte der letzten Wochen berichteten die TeilnehmerInnen, daß die „Pamjat„-Bewegung für den 5. Mai in allen Teilen der UdSSR zu einer „Nacht der langen Messer“ aufgerufen habe. Der offene Antisemitismus sei auch im „Pamjat„-Manifest dokumentiert. Unter dem ersten Punkt heißt es dort beispielsweise: „Wir fordern, daß unser Staat aufhört, (...) eine Kolonie der weltweiten zionistischen Herrschaft zu sein.“ Die „Pamjat„-Bewegung verbreite weiter die Auffassung, daß „jegliche ethnischen Konflikte des Landes ein Ergebnis der schmutzigen zionistisch -freimaurerischen Provokation sind“.

Vor dem Botschaftsgebäude in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor wurde auch an eine anti-semitische Kundgebung der „Pamjat“ auf dem Roten Platz in Moskau im Dezember erinnert, bei der die Menge zum Schluß sang: „Auf, großes Land, auf in den Kampf um Leben und Tod. Gegen den verfluchten Juden, unsere Nacht und Tod.“ In ihrem offenen Brief fragen die Autoren, wie es passieren konnte, daß „in einem Land, das so hohe moralische Werte propagiert, schwarzhundertschaftsähnliche Organisationen existieren können, die nazistische Losungen wiederholen und zu Pogromen aufrufen“. Von Gorbatschow forderten sie ein Verbot von „Pamjat“ und deren Publikationen.

Wolfgang Gast