AUS DEM GARTEN

■ Ute und Michael Mohns in der Galerie Bernau

An den geweißten Wänden des winkligen Raums hängen die Zeichnungen von Ute und Michael Mohns. Unauffällig gerahmt halten sie sich ganz zurück und geben den Raum frei für die Skulpturen, die auf schmalen Sockeln zwischen den Balken des Fachwerkhauses aufragen. Keine großen Formate, keine knallbunten Farben auf den wenigen bemalten Papieren, weder formale noch inhaltliche Experimente. Von den Veränderungen im Land ist in der Galerie Bernau nichts zu sehen. Ute und Michael Mohns, die zum ersten Mal gemeinsam ausstellen, schufen Akte, Porträts und Landschaften: realistisch zart und nachdenklich klassisch, als ob sie alle Zeit der Welt hätten.

Ute Mohns Blick führt nicht weit, nicht in spektakuläre Panoramen, sondern sucht vor der Tür. Es könnte der verwilderte Garten vor dem Mohnschen Gehöft in Tornow im Mecklenburgischen sein, den er fand, und die Landschaft hinter dem Grundstück. Menschen sind in ihr nicht anzutreffen, haben aber ihre Spuren hinterlassen, Wege geebnet und Zäune errichtet. Die verhindern von vornherein, daß der Eintritt in die Bilder allzuleicht fällt. Auf anderen vereiteln hohe Gräser vor Wasseransammlungen und herabhängende Zweige den Sprung in die Pflanzenwelt, so daß gar nicht erst der Eindruck entsteht, hier könne es sich um ein Idyll handeln. Zwar streicht der weiche Bleistift ein volles Feld in Sommersätte, über Strukturen gerieben dagegen zeichnet es den gleichen Fleck aber im kalten Frühjahr, wenn die Gegend zerrupft und die Erde schwarz und naß ist. Dann ragen in den nicht vorhandenen Himmel die kahlen Äste von Obstbäumen, die niemand mehr braucht: ohne Kontur setzen sie sich aus vielen hartgeschwungenen Strichen zusammen. Wenn das Zeichenpapier auf grob strukturierten Untergrund gelegt wurde - Wachstuch eines Tisches vor dem Haus ließe sich denken - entsteht auf der anderen Seite des Blattes Nebel, der frösteln läßt. Die Vielfältigkeit der bleiernen Ausdrucksmöglichkeiten steht Parade in den Grashalmen im Vordergrund: Jeder hält die Bewegung der Zeichnerin genauestens fest, jeder steht anders und ergibt mit den anderen zusammen doch ein kollektives Ganzes.

Genauso bekam jedes Porträt seinen eigenen Strich: Die ältere Frau die sanfteren Grautöne und weicheren Linien, die junge blickt dunkel konturiert dem Betrachtenden entgegen. Beide Frauen sind schmucklos und tragen ihr Haar aus dem Gesicht - was sie auszeichnet, kommt allein von innen: Aus der Willensstärke der jüngeren wird im Alter das Wissen darüber, wofür die Kämpfe waren, wie es auch aus Radierungen Käthe Kollwitz‘ schaut.

Michael Mohns Frauen dagegen haben keine Gesichter. Fast brutal rauschte die breite Feder über das Packpapier, um Frauenkörper am Strand aufzustellen. Dann sucht der Zeichenstift wieder in vielerlei tastenden Rundungen die Formen in den klassischen Positionen. Ähnlich fragend wirken die kleinen Figuren aus Wachs, Stein oder Bronze. Nichts wurde überstürzt. Langsam schälen sich Torsi aus den Steinsockeln. Ihre Narben, die sie von weitem wie aus dem klassischen Altertum eingeflogen erscheinen lassen, zeugen noch vom Tasten der Werkzeuge. Auf den kleinen dicken Frauen legt sich ein breitgedrückter Wachsklecks über den anderen. Die Frauen blicken geradeaus und haben ihr Haar zum strengen Knoten gebunden, die dicken mit den schweren Bäuchen und Brüsten wie die schlanken aus Bronze, deren Körper sich aus großen Füßen in kleine Köpfe verjüngt. Der männliche Leib dagegen tritt kopflos auf und besteht fast nur aus Muskeln. Steinern wirkt er, wie tot - ganz anders als die kompakt in sich zusammengekauerte Frau aus Stein. Ihren Körper überzieht eine moosgrüne Patina, als ob sie lange im Mohnschen Garten gestanden hätte und mit diesem langsam eins geworden wäre. Gefährlich nahe rückt in diesen Gegensätzen die altneue Mär von der Naturnähe der Frau. Sei es Michael Mohns unterstellt, daß er in den weiblichen Skulpturen nicht „die Frau“ suchte, sondern „den Menschen“.

Claudia Wahjudi

„Galerie Bernau“, Bernau, Thälmannstraße 4