Idyllische Detektivgeschichte

■ „Everybody Wins“ von Karel Reisz

Der Free-Cinema-Veteran und neugierige Grenzgänger des anglo - und des amerikanischen Kinos, hat in „Everybody Wins“ ein traditionsreiches Genre sanft gegen den Strich gebürstet: den Detektivfilm. Betulich ironisiert er ein Genre, dessen Zynismus niemals sonderlich entwickelt war und entkleidet seinen Helden aller Attribute hartgesottener Romantik. Tom O'Toole ist ein phlegmatischer Mittfünfziger (Nick Nolte spielt ihn bar jeder Eitelkeit), der seinen Lebensunterhalt mit langweiligen Routinearbeiten für eine Versicherungsgesellschaft verdient, gelegentlich freilich auch flammende und medienwirksame Kreuzzüge gegen die Stadtverwaltung unternimmt.

Die Gelegenheitsprostituierte Angela (Debra Winger) verstrickt ihn in eine Korruptionsaffäre, die bis zum Schluß ebenso undurchsichtig bleibt wie die Heldin selbst. In dieser Hinsicht funktioniert die story des Films auf einer ähnlichen Ebene wie in „Chinatown“, obgleich nicht so brillant und konsequent ausgeführt: das wirkliche Rätsel ist für den Detektiv die Frau und nicht die Intrige des Kriminalfalls.

Drehbuchautor Arthur Miller hat erprobte Erzählkonventionen, die für gewöhnlich in der stickigen Luft eines urbanen Infernos gedeihen, in die frostige Idylle einer neuenglischen Kleinstadt transponiert und sie dadurch klassischer Topoi, aus denen sie ihre Reibungsfläche bezogen, beraubt.

Der Privatdetektiv ist kein Außenseiter in einer feindlichen Welt sondern ein rechter Kleinstadtmensch, der seine Ermittlungen eher mit Nachsicht als mit Zielstrebigkeit durchführt - wodurch er auch für das genrefremde gemächliche Erzähltempo des Films verantwortlich ist. Seine Antagonisten gewinnen nie Leinwandpräsenz, einzig Will Patton brilliert in einer faszinierenden Studie eines Fanatikers im Schattenwurf puritanischer Sittsamkeit.

Das Klima verfaulender moralischer Werte hat Reisz hauptsächlich an die Szenerie pathetischer öffentlicher Gebäude und verfallender, an den vormaligen Wohlstand gemahnender, Manufakturen delegiert.

Selten gab es in den letzten Jahren einen Film, dessen Figuren sich derart ausführlich in literarisch anmutenden Dialogen auslassen, und der dennoch vom Zuschauer verlangt, ständig zwischen den Zeilen und in den Gesichtern der Charaktere zu lesen. Darin liegt vielleicht das wirklich (das einzig?) Abgründige des Films: daß er konsequent im Unklaren läßt, wer die Wahrheit gesagt und wer gelogen hat.

Gerhard Midding

„Everybody Wins“, Regie: Karel Reisz, Drehbuch: Arthur Miller, Darsteller: Nick Nolte, Debra Winger, Will Patton, Jack Warden u.a., Großbritannien 1989, 97 Min.

13.2. Zoopalast 9.00 Uhr und 22.30 Uhr

14.2. Kosmos 22.30 Uhr

14.2. Urania, Humboldtsaal 18.30 Uhr