„Es wird kein Mehrparteiensystem in Angola geben“

■ Der angolanische Staatspräsident Eduardo Dos Santos zu Bürgerkrieg, Wirtschaftsreform und Einparteienherrschaft der MPLA

Berlin (taz) - Der Bürgerkrieg in Angola geht ins 15. Jahr; die Konfliktparteien - die marxistische Regierung und die Unita unter Jonas Savimbi - werfen sich gegenseitig Bruch des Waffenstillstandsabkommens vor. Obwohl der Krieg sich wahrscheinlich nicht militärisch lösen läßt, waren die Regierungstruppen in den vergangenen Wochen bei einer Offensive erfolgreich. Das Gespräch mit Dos Santos führte Mostafa Danesch vor zwei Wochen in Angola.

Mostafa Danesch: Die Unita fordert die volle Beteiligung an der Macht, d.h. auch an vorderster Stelle für ihren Repräsentanten Savimbi. Sie bieten der Unita Integration an, und eine Bedingungen lautet: Savimbi muß ins Exil. Wie wollen Sie das durchsetzen?

Eduardo Dos Santos: Wenn wir von Integration reden, reichen wir Landsleuten die Hand, die über viele Jahre hinweg eine heimatfeindliche Haltung eingenommen haben. Wir zeigen uns also großzügig, denn wir glauben, daß dies die einzig realistische Haltung ist, den Krieg zu beenden, nicht etwa durch Aufteilung der Macht. Ich glaube, daß man in Deutschland und Europa auch nicht so gehandelt hat, d.h. auch nicht die Macht den Verrätern überließ.

Sie schließen demnach die Möglichkeit einer Koalitionsregierung aus, wie sie von Savimbi gefordert wird?

Wenn wir verzeihen und die Integration für Unita-Mitglieder anbieten, ja sogar die Einbeziehung einiger in staatliche Bereiche akzeptieren, dann sind wir der Unita schon sehr entgegengekommen.

Die US-Administration unterstützt die Rebellen. Sehen Sie Möglichkeiten der Verbesserung Ihrer Beziehungen zu den USA?

Wir wünschen schon immer normale Beziehungen zwischen den USA und Angola. Es sind die USA. die sich dem widersetzen, sie sind es, die die Regierung der Volksrepublik Angola nicht anerkennen. Wir pochen darauf, daß Washington seine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten beendet, und wir wünschen sehr, daß ein neuer Abschnitt in den Beziehungen beginnt.

Ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA scheinen zu wachsen.

Das stimmt. Das Umsatzvolumen und der Umfang der Zusammenarbeit auf unternehmerischer Ebene sind enorm. Die USA sind einer der ersten Wirtschaftspartner Angolas. Unser Land sollte ebenfalls einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der USA in Afrika werden. Das Umsatzvolumen übersteigt 800 Millionen Dollar. Unserer Meinung nach sind diplomatische Beziehungen eine dringende Notwendigkeit.

Und wie verhält sich Südafrika?

Man kann nicht behaupten, daß Südafrika vertragsgemäß die Unterstützung eingestellt hat. Aber wir stellen doch fest, daß auf seiten des südafrikanischen Präsidenten der lebhafte Wunsch - zumindest aber die Absicht - besteht, die in New York getroffenen Vereinbarungen zwischen Angola, Kuba und Südafrika einzuhalten. Wir haben tatsächlich einen stetigen Rückgang der Einmischung Südafrikas festgestellt. Wir ermutigen De Klerk sowohl seine Politik der Entspannung im südlichen Afrika als auch die Politik der Öffnung in seinem eigenen Land zur Lösung des Apartheid-Problems fortzusetzen.

Zur Zeit schaut die Welt fasziniert auf die Veränderungen in Osteuropa. Wie sieht es mit Glasnost und Perestroika in Angola aus?

In Angola gibt es weder Glasnost noch Perestroika. Wir haben hier einen wirtschaftlichen Wiederaufbau. Und zur Zeit beginnen wir mit dem Prozeß der Ausweitung der Demokratie. Wir sind also dabei, unsere Wirtschaftspolitik zu überarbeiten, und werden ebenfalls eine Anpassung unserer Innenpolitik vornehmen.

Wie wollen Sie unter der Bedingung der Einparteienherrschaft Demokratie ausweiten?

Wir sind dabei, die gesellschaftliche Basis der Partei zu erweitern und ihre Filialen auch anderen Gruppen von Mitbürgern zu öffnen, wie zum Beispiel dem staatlichen Sektor, religiösen Gruppen, Kleineigentümern usw. Darüber hinaus wollen wir unser gesamtes politisches System verbessern, um eine größere Beteiligung der Mitbürger unabhängig von den Ideen, die sie vertreten - an aktuellen Angelegenheiten zu gewährleisten. Dieser Prozeß ist also nicht gleich dem, den die Sowjetunion durchlebt. Wir sind dabei, unser politisches System zu verbessern, denn Angola ist ein Land, das erst vor ca. 15 Jahren seine Unabhängigkeit erhielt und sich noch in der Phase der Schaffung einer nationalen Einheit und der Festigung der Nation befindet.

Also kein Mehrparteiensystem in Angola?

Gerade weil wir uns in dieser Phase befinden, in der unser oberstes Ziel die Konsolidierung der nationalen Einheit und der Nation selbst ist, glauben wir fest, daß die Partei eine vereinigende Kraft sein sollte. Wir müssen den Tribalismus, den Rassismus, den kulturellen Rückstand und den Analphabetismus überwinden und das Problem des Krieges lösen. Aus diesem Grund befürworten wir noch kein Mehrparteiensystem für Angola, genau wie einige Nachbarländer auch.

Haben die Veränderungen in Osteuropa die Beziehungen, gemeint sind auch die militärischen Beziehungen, zwischen den beteiligten Ländern (UdSSR, Kuba und Angola) verändert?

Bis jetzt noch nicht. Wir betrachten die Vorgänge in den sozialistischen Ländern als interne Prozesse. Bis jetzt hat noch keines dieser Länder von den Abkommen Abstand genommen, die auf bilateraler Ebene mit der Volksrepublik Angola vereinbart worden sind. Unsere Politik beruht auf der Diversifizierung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit anderen Völkern. Wir sind bereit, zu allen Ländern der Welt Beziehungen aufzunehmen, solange diese auf der Basis der Gleichheit und der Respektierung der Souveränität eines jeden Staates beruhen.

Hat das Programm zum wirtschaftlichen Wiederaufbau schon zu vorzeigbaren Ergebnissen geführt?

Es gibt schon einige, aber sie sind noch unbedeutend. Ich glaube, daß wir bessere Ergebnisse erzielen werden, sobald die grundlegenden Voraussetzungen geschaffen sind.

Welche Rolle haben Sie ausländischen Kapitalinvestitionen zugedacht?

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Programms ist eben die Beteiligung ausländischer Investoren am Wiederaufbau der Wirtschaft. Wir haben ein neues Auslandinvestitionsgesetz verabschiedet.

Wird es Reprivatisierungen geben?

Wir haben gerade eine Untersuchung der gesamten Unternehmensstruktur beendet und werden jetzt die Restrukturierung in Angriff nehmen. Anhand dieser Untersuchungsergebnisse werden wir entscheiden, welche Unternehmen in staatlicher Hand bleiben, für welche eine Beteiligung privaten Kapitals in Frage kommt und welche Unternehmen ganz an den Privatsektor abgegeben werden. Beim Einzelhandel ist das schon fast ganz der Fall