CSSR will Atommüllager heimlich durchpeitschen

■ Pläne für ein Endlager für hochradioaktive Brennelemente an der österreichischen Grenze sollen in dieser Woche beschlossen werden / In der vorgesehenen Lagerstätte, einer Uranmine, steht schon heute Wasser / Sicherheitsstandard der Lagerbehälter sehr gering

Berlin/Wien (taz) - Mit einer Blitzaktion hinter dem Rücken der demokratischen Öffentlichkeit in der CSSR will die tschechoslowakische Atomlobby ein Endlager für hochradioaktive Brennelemente in Hradec unweit der österreichischen Grenze durchsetzen. Einzelne Regierungsmitglieder und die Betreiber einer Uranmine, die als künftiges Lager in Aussicht genommen ist, wollen innerhalb von sieben Tagen einen entsprechenden Regierungsbeschluß durchdrücken. Die Versicherung der Betreiber, die Brenn elemente sollten „nur“ für 50 Jahre in der Mine bleiben, hat die Besorgnis der Bevölkerung eher verstärkt.

In den Stollen der Uranmine steht bereits jetzt Grundwasser, das direkt mit dem Fluß Nezarka verbunden ist. Die Stadt Hradec holt sich hier ihr Trinkwasser. Nach Mitteilung von Fritz Holzinger, Atomreferent der österreichischen Grün-Alternativen, belegen Untersuchungen, daß das Gebiet um Hradec geologisch stark in Bewegung ist. Pro Jahr hebt sich das Massiv um einen Millimeter. Dadurch entstehen Spalten, Wasser dringt ein und bringt die Fässer zum korrodieren, so daß radioaktives Material ins Grundwasser gelangen kann.

Hinzu kommt, daß die kaum abgeklungenen Brennelemente extreme Hitze entwickeln. Nach Holzinger sind Experten der Meinung, es sei nicht möglich, ein Stollensystem so perfekt zu durchlüften, daß nicht nach einigen Jahren die Behälter undicht werden und radioaktive Gase in die Umwelt gelangen. Dies um so mehr, als die Qualität der Behälter, was Sturz und Feuersicherheit anbelangt, dem bis jetzt erreichten technischen Niveau nicht entspricht.

Das aus der Diskussion um das Endlager Gorleben bekannte Gefahrenszenario wird noch dadurch verschärft, daß der bisherige Umgang der CSSR-Behörden mit Sicherheitsproblemen zur Beruhigung wenig Anlaß gibt. Die Praxis, in Mydlovary radioaktives Material in Weihern aufzubewahren beziehungsweise in die Moldau einzuleiten, ist den CSSR -Umweltinitiativen ebenso präsent wie die Kette von Störfällen in den beiden AKWs der CSSR, zuletzt am Wochenende in Bohunice.

Vor dem Hintergrund der Abrüstungsverhandlungen wie der wachsenden Kritik am Plutonium-Recycling weigert sich die Sowjetunion jetzt, jene 500 Tonnen hochradioaktive Brennelemente abzunehmen, die in den beiden CSSR-AKWs angefallen waren und jetzt in der Uranmine gelagert werden sollen.

Die ungelöste Entsorgungsfrage hätte den Anhängern einer baldigen Stillegung der AKWs in der CSSR ein starkes Argument in die Hand gegeben. Ein Sieg der Atomlobby in Hradec wäre deshalb auch ein Rückschlag für den Kampf um ein alternatives Energiekonzept.

Christian Semler