US-Kongreß: Für Aufhebung zu früh

Nelson Mandela hatte seine unmißverständliche Aufforderung zur Aufrechterhaltung von Sanktionen gegenüber Pretoria noch nicht ausgesprochen, da ging in US-Regierungskreisen die Diskussion über ihre Lockerung bereits los. Präsident George Bush jedenfalls, der die Schlächter von Peking nur sechs Monate nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens wieder als Geschäftspartner akzeptiert hatte, ist einer Normalisierung der Beziehungen gegenüber dem Apartheidstaat nicht abgeneigt. Nach Telefongesprächen mit Mandela und Südafrikas Präsidenten de Klerk, die er beide zu getrennten Besuchen nach Washington einlud, machte Bush am Sonntag seinen Standpunkt klar, der wieder einmal keiner ist. „Ich bin nicht dazu bereit, meine Meinung über Sanktionen zu diesem Zeitpunkt auszudrücken.“

Seine Unterlinge durften dagegen schon weiterdenken. Herman Cohen, Staatssekretär für Afrikanische Angelegenheiten, lobte des Präsidenten Einladung an de Klerk als „sehr wichtiges Zeichen“ und deutete eine Belohnung für den reformwilligen Premier an. Sein Amtsvorgänger Chester A.Crocker redete in der Fernsehdiskussionsrunde Meet the Press gleich Klartext: die Lockerung von Sanktionen müsse nun in Betracht gezogen werden. Bei der Verhängung von Sanktionen im Jahr 1986, deren Aufhebung der US-Kongreß damals an die Erfüllung von fünf Bedingungen knüpfte, hatte sich Präsident Bush als loyaler Vizepräsident hervorgetan und das später überstimmte Veto seines Präsidenten Ronald Reagan unterstützt.

Führende Mitglieder seiner Administration haben jetzt zu erkennen gegeben, daß sie mit der Freilassung Mandelas und der angedeuteten Verhandlungsbereitschaft Pretorias bereits zwei dieser Bedingungen als erfüllt ansehen. Wenn die Regierung de Klerk demnächst noch weitere Einschränkungen politischer Aktivitäten aufhebt und sämtliche politischen Gefangenen freiläßt, sei eine Lockerung der Sanktionen fällig. Eine Aufhebung des „Group Areas Act“, des Grundpfeilers des Apartheidsystems, erwartet in Washington in diesem Jahr offenbar niemand. Würden die Sanktionen nach Erfüllung aller fünf Bedingungen dem Gesetz von 1986 zufolge binnen 30 Tagen automatisch außer Kraft gesetzt, so müßte die Bush-Administration alle vorzeitigen Sanktionserleichterungen durch den Kongreß bringen. Dies ist angesichts der Opposition der Demokraten eher unwahrscheinlich. „Zur Aufhebung von Sanktionen“, so erklärte der Führer der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt, am Sonntag, „ist es noch zu früh.“

Solange der Kongreß bei dieser Haltung bleibt, wird die Freilassung Mandelas auch in der Geschäftswelt nicht gerade zu einer Rückkehrwelle zum Kap der Guten Profit-Hoffnungen führen. „Wir haben keinerlei Absicht, nach Südafrika zurückzugehen“, hatte in der vergangenen Woche ein Sprecher des Automobilkonzerns „General Motors“ erklärt. Die von der in den USA sehr aktiven Anti-Apartheid-Bewegung 1986 erkämpften Sanktionen haben in den letzten fünf Jahren 176 Firmen zum Rückzug aus Südafrika veranlaßt. Rund die Hälfte dieser Unternehmen läßt ihre Produkte jedoch in Lizenz von südafrikanischen Firmen vertreiben. Kaum eine dieser Firmen dürfte sich allerdings vor dem vollständigen Abbau der Apartheid zu neuen Investitionen in Südafrika entschließen. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit moralisch entrüsteten Aktionären daheim und angesichts der auf Jahre hin unsicheren politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in einer südafrikanischen Übergangsgesellschaft kommt für sie eine Rückkehr nach Südafrika auf absehbare Zeit nicht in Frage.

Rolf Paasch, Washington