Nachdenken über Deutschland

Grüne weiterhin ohne verbindliche deutschlandpolitische Position / Zweistaatlichkeit oder Föderation? / Kleiner Parteitag soll am kommenden Wochenende entscheiden  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der Parteivorstand und der Vorstand der Bundestagsfraktion der Grünen haben sich auf einer gemeinsamen Sitzung nicht auf eine deutschlandpolitische Position verständigen können. Ob die Grünen weiterhin an der Forderung nach Zweistaatlichkeit festhalten, soll nun am kommenden Wochenende der Bundeshauptausschuß klären, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Einig waren sich Bundesvorstand und Fraktionsvorstand in zwei Punkten: der Forderung nach einer Soforthilfe von 15 Milliarden Mark für die DDR - und in der Kritik an der Bundesregierung, die auf eine „vollständige Kapitulation“ der DDR setze.

In der internen Sitzung am Montag abend wurde die Bundestagsfraktion wegen des letzte Woche gefaßten Beschlusses angegriffen, der eine Zweistaatlichkeit angesichts der stürmischen Entwicklung als nicht mehr haltbar bezeichnet, zugleich aber vom Ziel einer Konföderation spricht. Die Aufgabe der Zweistaatlichkeitsoption fordern insbesondere die Realos. Neben der Widersprüchlichkeit des Beschlusses wurde die Legitimation der Fraktion bezweifelt, einen solch weitgehenden Beschluß ohne Beteiligung der Partei zu fassen. Beisitzer Jürgen Maier rügte das „grüne Chaos in der Deutschlandpolitik“ und nannte die Bundestagsfraktion einen „politikunfähigen Hühnerhaufen“. Eine Kompromißlinie - eine Konföderation zweier selbständiger Staaten anzustreben und gleichzeitig eine schnelle Aufnahme der DDR in die EG zu fordern - scheint sich abzuzeichnen. Der EG-Beitritt käme der „Bedürfnislage“ der DDR-Bevölkerung nach schneller wirtschaftlicher Besserung entgegen, meint Jürgen Maier, der zu den Linken im Bundesvorstand gezählt wird. Die Linken hatten - anders als die Realos - in der Vergangenheit die EG stets wegen ihrer kapitalorientierten, undemokratischen Strukturen abgelehnt. Vorstandssprecher Ralf Fücks legte ein Papier vor, in dem neben einer Soforthilfe eine ökologische Zusammenarbeit auf der Grundlage einer Konföderation formuliert wird. Als Organe dieser Konföderation werden ein paritätisch besetzter parlamentarischer Rat, gemeinsame Regionalkommisionen und die Einrichtung einer gemeinsamen Länderkammer angeführt. Maier und Fücks sollen für den Bundeshauptausschuß eine Beschlußvorlage fertigen. Andere Teilnehmer des Treffens orten einen möglichen Kompromiß in einem „fließenden, glitschigen Übergang“ zwischen der Forderung nach Konföderation „bis auf weiteres“ und der Schaffung einer verfassunggebenden Versammlung, in der beide deutsche Staaten gleichberechtigt eine neue Grundlage für ein vereinigtes Deutschland erarbeiten sollen.