„Versuch der tarifpolitischen Unterwerfung“

Die IG Metall reagiert in scharfer Form auf das Tarifangebot von Gesamtmetall / Samstag als Regelarbeitstag bedeutet „Rückfall hinter die fast ausnahmslos praktizierte Fünftagewoche und Angriff auf das freie Wochenende“ / Erste Proteste bei Daimler-Benz in Stuttgart  ■  Von Gabriele Sterkel

Berlin (taz/ap) - Eine erste praktische Antwort auf das Angebot, das sie letzte Woche in den Tarifverhandlungen präsentiert hatten, erhielten die Metallarbeitgeber am Montag. Bei Daimler-Benz in Stuttgart-Hedelfingen verließen 500 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze, um gegen zwei von der Werksleitung geplante Samstags-Sonderschichten zu protestieren.

Die Aktion habe sich auch gegen die Haltung der Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen gerichtet, erklärte der Stuttgarter IG-Metall-Bevollmächtigte Ludwig Kemeth. Die Unternehmer hatten gleichzeitig mit ihrem Lohnangebot einen Forderungskatalog präsentiert, der die Sechstagewoche und damit die Arbeit am Samstag vorsieht. „Wer den Arbeitnehmern wieder regelmäßige Samstagsarbeit aufdrücken will, der spielt mit dem Feuer und braucht sich nicht zu wundern, daß auch die Bereitschaft zu Überstunden schwindet“, erklärte Kemeth.

Die Gewerkschafter sind empört. Das Arbeitgeber-Angebot sei eine „Provokation“. Die Stellungnahme der Tarifabteilung des IG-Metall-Vorstandes: Die Lohn- und Gehaltserhöhung von vier Prozent (auf zwölf Monate gerechnet) sei nur scheinbar ein Angebot, „in Wahrheit aber der Versuch einer Erpressung“. Begründung: Das Angebot ist an die Bedingung gekoppelt, daß die Gewerkschaft mindestens bis 1993 auf eine kürzere Arbeitszeit verzichtet und faktisch noch Verlängerungen hinnimmt. „Das ist kein Angebot“, so die IG Metall, „sondern der Versuch der tarifpolitischen Unterwerfung der IG Metall“.

Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber soll „eine längere individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis zu einer Dauer von 40 Stunden“ vereinbart werden können. Die IG Metall hierzu: Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer sei nicht durch greifbare Kriterien begrenzt. Damit könne faktisch für den ganzen Betrieb die 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit wiedereingeführt werden. Die Überstunden würden erst ab der 41. Stunde beginnen. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber soll ferner der Samstag zum Regelarbeitstag werden. Die IG Metall bewertet das als „Rückfall hinter die fast ausnahmslos praktizierte Fünftagewoche und Angriff auf das freie Wochenende“.

„Die Vereinbarung betrieblicher Arbeitszeitmodelle“, so der Arbeitgeberverband, soll maßgeblich „nach betrieblichen Belangen“ zu erfolgen haben. Dagegen wendet sich die IG Metall aus zwei Gründen: zum einen, weil damit betriebliche Interessen an maximaler Ausnutzung der Betriebsanlagen Vorrang hätten vor den Interessen an sozialen Arbeitszeiten und persönlicher Zeitsouveränität der ArbeitnehmerInnen. Zum anderen, weil diese Regelung eine Aushebelung der Mitbestimmungsrechte bedeuten würde. Käme es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wegen der Arbeitszeitregelung zum Konflikt, würde die Einigungsstelle auf den Vorrang der betrieblichen Belange verweisen, und damit in jedem Fall zugunsten des Arbeitgebers entscheiden können. Speziell in Baden-Württemberg sollen die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte noch dadurch verschlechtert werden, daß Mehrarbeit in dringenden Fällen auch ohne Zustimmung des Betriebsrats möglich werden soll.

Fazit: Die IG Metall kritisiert zum einen die von Gesamtmetall beabsichtigte „totale Flexibilisierung der Verteilung der Arbeitszeit“, die Absage an die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte und die faktische Ausschaltung der Gewerkschaften dadurch, daß die Dauer der Arbeitszeit weitgehend in Einzelarbeitsverträgen geregelt werden soll und nicht mehr abschließlich im Tarifvertrag. „Die Gewerkschaften sollen bei der Verkürzung und Gestaltung der Arbeitszeit zurückgedrängt werden“. Zum anderen zielt ihre Kritik darauf, daß die Arbeitslosigkeit so nicht bekämpft, sondern eher angeheizt werde. „Am Donnerstag beginnt in Stuttgart die vierte Runde der Tarifverhandlungen.