„Glaskäfig“ im Kurdenprozeß kommt weg

Die Plexiglasscheibe wird abgebaut, wenn die Angeklagten sich setzen / Weiterer Angeklagter wurde freigelassen / Verteidigung: Gericht baut nur „Reibungsverluste“ ab und folgt Rebmann / Ex-Inhaftierte: Grundprinzip der Justiz wurde auf den Kopf gestellt  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Im Düsseldorfer Kurdenverfahren ist am Dienstag ein weiterer Angeklagter gegen Kaution aus der U-Haft entlassen worden. Von den 17 Angeklagten befinden sich jetzt noch sieben Männer und eine Frau in Haft. Im Gericht selbst ging es am 31. Verhandlungstag fast ausschließlich um den Fortbestand der Plexiglasscheibe, die die inhaftierten Angeklagten - wie in einem Glaskäfig - von den übrigen Prozeßbeteiligten trennt. Dieser von den Verteidigern seit Prozeßbeginn als „rechtswidrig“ gerügte „Käfig“, der erstmals in einem bundesrepublikanischem Strafprozeß aufgebaut wurde, kommt nun offenbar unter den Hammer. Zwar stand die Entscheidung des Gerichts bei Redaktionsschluß noch nicht fest, aber der Abbruch der riesigen Plexiglasscheibe zeichnete sich während der Verhandlung ab. Der Abbau sei dann möglich, wenn die Angeklagten der Verhandlung künftig wieder im Sitzen folgten und eine „optische Kontrolle“ verhindere, daß keine Akten oder Gegenstände zwischen den Verteidigern und den Inhaftierten ausgetauscht würden. Künftig werden die Angeklagten, die ja nur aus Protest gegen die Scheibe den Prozeß stehend verfolgten, also wieder sitzen. Bisher war die Notwendigkeit des „Käfigs“ vom Gericht immer mit der besonderen Gefährlichkeit der Angeklagten begründet worden. Davon war am Dienstag plötzlich nicht mehr die Rede. Nach Auffassung des Rechtsanwaltes Dirk Schoenian deutet der Abbau der Scheibe an, daß das Gericht versucht „Reibungsverluste“ abzubauen. Dabei werde aber am eigentlichen Ziel des Verfahrens, eine ausländische Befreiungsorganisation nach Paragraph 129a zu kriminalisieren und zu terrorisieren, festgehalten. Wie berichtet, sind die Kurden auch der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ innerhalb der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) angeklagt. Die letzten Prozeßtage belegen für die Anwälte, daß der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts den „Vorgaben des Generalbundesanwaltes folgt“. Der hatte in einem NDR-Interview von einer Überforderung der Justiz bei Verfahren wie dem in Düsseldorf gesprochen und eine Änderung der Strafprozeßordnung verlangt. Geht es nach Rebmann, dann soll künftig die Abschiebung von Ausländern möglich sein, gegen die der „Terrorismusvorwurf“ erhoben wird. Kaum zwei Tage nach den Rebmann-Äußerungen habe das Gericht, so Anwalt Schoenian, mit neuen Initiativen reagiert. Rechtsanwältin Edith Lunnebach beschrieb das Gericht als mit dem „Rücken zur Wand“ stehend, das verzweifelt versuche, „das Projekt“ der Verurteiling der PKK-Mitglieder durchzuziehen; die Entscheidung über die Freilassung der Angeklagten sei „willkürliche Auswahl“. Mindestens zwei Angeklagte blieben in Haft, obgleich ihnen ebenfalls nur Mitgliedschaft nach Paragraph 129a und Freiheitsberaubung beziehungsweise Urkundenfälschung vorgeworfen werde.

Der seit Freitag aus der Haft entlassene Hüseyin Celebi sprach während einer Pressekonferenz am Dienstag davon, daß der Prozeß in eine „Sackgasse“ geraten sei. Die juristische Seite des Prozesses sei „nichts weiter als der Mantel eines politischen Prozesses“. Tatsächlich gehe es der Anklagbehörde darum, den „legitimen Kampf des kurdischen Volkes“ um nationale Selbstbestimmung als „terroristisch“ zu diffamieren.