Polizei stellt neue Jugendbanden-Teams auf

■ Skinhead-Delikte sind nach Polizeiangaben rückläufig - aber die „unpolitische“ Jugendkriminalität nimmt drastisch zu Fünf neue Kripo-Spezialgruppen für Jugendgewalt wurden dezentral gegründet / 20 Jugend-Gangs beschäftigen die Fahnder

Die Kripo-Spezialgruppe für Straftaten von Skinheads, die im April vergangenen Jahres bei der Direktion IV ins Leben gerufen worden war, wird aufgelöst. Wie der bisherige Leiter der Skinhead-Spezialgruppe, Hans-Ulrich Voß, gestern auf Nachfrage der taz bestätigte, sollen fortan bei allen fünf Polizeidirektionen Sondergruppen für Jugendgruppengewalt eingerichtet werden, zu deren Aufgabengebiet dann auch die Skinheads gehören. Polizeiführung und Innensenat reagierten mit der Einrichtung dieser dezentralen Kripo-Spezialgruppen auf die zunehmende Kriminalität von Jugendbanden. Wie berichtet, gibt es in der Halbstadt rund 20 Jugendbanden mit insgesamt mehreren hundert Mitgliedern, die seit etlichen Monaten verstärkt durch Rohheitsdelikte - vor allem gegen Gleichaltrige - von sich reden machen. Den Gruppen gehören sowohl deutsche als auch ausländische Jugendliche an, wobei letztere die Mehrheit bilden. Demgegenüber sind die Skinheads nach Angaben der Kripo seit einem guten halben Jahr im Vergleich zu früher kaum noch in Erscheinung getreten.

Vor genau einem Jahr verging kaum eine Woche, in der in den Zeitungen nicht von Übergriffen durch Skinheads oder Neonazis die Rede war. Sie prügelten in kleinen oder größeren Gruppen in U-Bahnhöfen oder auf der Straße auf junge mißliebige Passanten ein und raubten ihnen bei der Gelegenheit auch schon mal das Geld. Voß bestätigt, daß die Skinhead-Aktivitäten Ende 1988 bis zum Frühjahr 89 in West -Berlin ihren Höhepunkt erreichten. Voß zufolge werden die Skinheads in West-Berlin seit 1980 von der Polizei beobachtet. Seit etwa 1986 hätten die Straftaten der Gruppen zugenommen. Nach dem Höhepunkt 1988 mit rund 280 Straftaten und 1989 mit rund 300 Straftaten - vor allem Körperverletzung, hin und wieder Raub, Volksverhetzung oder Tragen von verfassungsfeindlichen Symbolen - seien die Aktivitäten seit etwa einem halben Jahr deutlich abgeflaut. Die politisch motivierten Straftaten der Skinheads, die vom polizeilichen Staatsschutz bearbeitet werden, beliefen sich nach Angaben von Staatsschutzleiter Kaiser in den Jahren 88 und 89 auf „ein bis zwei Vorgänge im Monat“. Wegen Ausländerfeindlichkeit werde vom Staatsschutz in der Regel nicht extra ermittelt - weil eine „latente Ausländerfeindlichkeit“ fast immer der Fall sei. Kaiser bestätigte, daß rechtsextremistische Organisationen wie die FAP versucht hätten, Einfluß auf die Skinheads zu nehmen. Das sei aber gescheitert, weil die Skinheads sich nicht unterordnen ließen. Über den Grund für das Abflauen der Skinhead-Aktivitäten wollte Voß gestern noch nicht spekulieren. Er hielt es jedoch für nicht ausgeschlossen, daß die verstärkte Berichterstattung der Medien Anfang 1989 mit eine Ursache für den Anstieg der Aktionen war. Letztlich werde auch erst das Frühjahr und der Sommer zeigen, ob es bei dem Rückgang bleibe. In der zentralen Kartei der Skinhead-Spezialgruppe sind bislang rund 600 Personen gespeichert. Zehn Prozent davon sind Frauen. Die Kartei beinhaltet Informationen über Aufenthaltsorte, Lichtbilder und Fingerabdrücke. Der Bestand wird jetzt vom Landespolizeipräsidium übernommen, wo eine zentrale Meldestelle für Jugendgruppengewalt eingerichtet wird. In der Meldestelle sollen alle Informationen aus den neuen Jugendgruppengewalt-Spezialgruppen der fünf Polizeidirektionen gebündelt werden.

plu