Gesamtmetall: „Die Gewinnlage ist nicht so doll...“

Die Metallarbeitgeber möchten keine Arbeitszeitreglementierung mehr über den flächendeckenden Tarifvertrag / taz-Gespräch mit Werner Riek, Pressesprecher von Gesamtmetall  ■ I N T E R V I E W

taz: Durch die Arbeitszeitverkürzung 1984 und 1987 hat die bundesdeutsche Metallindustrie keinesfalls ihre Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Im Gegenteil, die Bundesrepublik ist heute auf dem Höhepunkt ihrer Wirschaftsmacht. Warum sträuben Sie sich da noch so hartnäckig gegen die Arbeitszeitverkürzung?

Werner Riek: Ein Großteil der Betriebe hat dadurch zwei Stunden seiner Betriebsnutzungszeit verloren. Arbeitszeitverkürzung liegt deshalb nicht im Interesse der Betriebe. Sie liegt aber auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer, die eindeutig kundgetan haben, daß sie den Verteilungsspielraum in Form von Lohnerhöhungen genutzt wissen wollen. Wenn jemand kürzer arbeiten will, kann er das ja für sich realisieren, zum Beispiel durch Teilzeitarbeit.

Sie wollen für bestimmte Beschäftigungsgruppen wieder zurück zur 40-Stunden-Woche. An welche Arbeitnehmer denken Sie denn da?

Wir denken da an Funktionsbereiche, für die bestimmte Qualifikationen erforderlich sind, die es auf dem Markt zu wenig gibt, aber auch allgemein an Arbeitsmarktengpässe und auch an Leute, deren längere Beschäftigung für die übrigen Arbeitnehmer besonders wichtig ist, wo wir dann auch mehr Un - und Angelernte einsetzen können.

Die Idee ist eine Öffnungsklausel in den Tarifverträgen, womit dann auf betrieblicher Ebene eine längere wöchentliche Arbeitszeit vereinbart werden kann. Das ist im Prinzip die Leber-Idee von 1984, die aber in ein Korsett gezwängt war, so daß man für Arbeitszeiten, die über 37 Stunden lagen, einen Ausgleich unterhalb der tariflichen Arbeitszeit schaffen mußte. Das hat sich als nicht praktikabel erwiesen. Jetzt wollen wir eine pragmatische Lösung finden.

Das bedeutet doch letzten Endes für alle Beschäftigten: zurück zur 40-Stunden-Woche.

Nein, nein.

Die Verwirklichung Ihrer Vorstellungen würde die tarifpolitische Kapitulation der IG Metall bedeuten.

Nein, keineswegs. Was wir der IG Metall zumuten, ist nicht, daß sie auf ihre Forderungen verzichtet, sondern, daß sie sie zurückstellt. Wegen des Facharbeitermangels, wegen der aktuellen Hochkonjunktur, wegen der Herausforderung des Europäischen Binnenmarktes, aber auch wegen der klaren Präferenz der Arbeitnehmer für mehr Lohn. Wir wollen, daß wir uns darauf verständigen, daß das, was 1990 zu verteilen ist, voll in den Lohn gegeben wird. Das ist wohl keine Zumutung für die IG Metall.

Nun ist ja Ihr Lohnangebot - vier Prozent, auf zwölf Monate gerechnet - nicht besonders üppig. Das ist knapp über der Teuerungsrate, oder: über dem Produktivitätszuwachs.

Na, immerhin! Fünf Prozent - das ist doch als Lösungsvorschlag eine gute Zahl!

Betrachtet man die Ertragslage, drängt sich der Eindruck auf, daß Sie mit diesem Angebot einen Arbeitskampf provozieren wollen.

Nein, das ist doch Unsinn! Wie können Sie sowas sagen! Also, der Eindruck, der wäre völlig falsch! Schauen Sie, die Gewinnlage ist nicht so doll, wie Sie sie jetzt im Kopf haben. Wenn Sie das im internationalen Vergleich sehen, zeigt sich doch, daß die Unternehmen der Bundesrepublik im Vergleich zu amerikanischen und japanischen Unternehmen relativ wenig verdienen - eine sehr viel niedrigere Umsatzrendite haben. Die IG-Metall-Zahlen für die Gewinne gaukeln im Grunde etwas vor, was man jedenfalls für die Tarifpolitik so nicht einsetzen kann. Die IG Metall rechnet auf die Gewinne noch die Pensionsrückstellungen drauf. Aber, womit sollen dann noch die Pensionen bezahlt werden? Das ist eine unzulässige Gewinnermittlung. Das hat sich jetzt auch bei den Tarifverhandlungen gezeigt, daß die IG Metall mit solchen Tricks arbeitet.

Mit welchen Gewinnzahlen warten Sie auf?

Unsere Zahlen beruhen auf Angaben der Bundesbank. 1987 hatten wir nämlich einen Rückgang der Gewinne, und zwar um 6 %. Das muß man berücksichtigen, wenn man die dreijährige Laufzeit des letzten Tarifvertrages betrachtet, sonst handelt man unkorrekt.

Die Arbeitnehmer, die Sie gerne länger arbeiten sehen würden, sind ja vor allem die besonders qualifizierten. Gerade sie wollen doch die Arbeitszeitverkürzung und mehr Zeit zum Leben.

Ja, das ist in Untersuchungen festgestellt worden, je reicher die Menschen sind, desto mehr setzen sie auf Freizeit statt auf Einkommenssteigerungen. Das ist richtig, deshalb ist ja auch unser Vorschlag: freiwillige Mehrarbeitsverträge. Im übrigen steht ja jedem frei, der weniger arbeiten möchte, dies über Teilzeitverträge zu realisieren. Wir wollen nur nicht, daß jemand gezwungen wird, bestimmte Zeiten zu arbeiten. Das soll jeder mit seinem Arbeitgeber selber aushandeln. Wir möchten nicht mehr die Reglementierung über den flächendeckenden Tarifvertrag.

Das wäre das Ende der Tarifpolitik und der Gewerkschaften.

Nein, aber ich bitte Sie! Die Tarifpolitik sollte Mindestbedingungen setzen und keine Höchstbedingungen. Sie ist noch ein wichtiges Ordnungsinstrument. Sie soll die Löhne bestimmen. Wenn man einen bestimmten Teil der Regelungskompetenz an die Betriebe abgibt, ist das doch nicht das Ende der Tarifpolitik.

Die Betriebsräte lassen sich leichter unter Druck setzen. Sie sind aufs Betriebswohl verpflichtet und unterliegen der Friedenspflicht.

Das sind doch gestandene Leute! Die können genau einschätzen, was für die Interessenvertretung richtig ist. Dafür sind sie ja gewählt worden. Ihre Entscheidungen mögen vielleicht Ihnen und mir nicht immer zusagen, wie zum Beispiel die Nachtschicht bei Opel. Aber genügend Arbeitnehmer drängen freiwillig auf die Nachtschicht. Uns Intellektuellen ist das vielleicht nicht immer so verständlich. Aber warum sollen wir unsere Wertvorstellungen anderen aufzwingen?

Interview: Gabriele Sterkel