Verfehlte Männerpolitik

■ In Ost-Berlin demonstrierten Frauen gegen den befürchteten Sozialabbau / Erste Anzeichen sind bereits erkennbar / Streikende KiTa-Erzieherinnen aus West-Berlin berichteten über ihre Situation

Berlin (taz) - „Männer wählen so und so, Frauen wählen UFV“, steht als Wahl(-kampf)spruch auf der Bürotür des „Unabhängigen Frauenverbandes“ in Ost-Berlin. Offensichtlich scheint er nicht jedefrau erreicht zu haben. Sonst wären sicher Dienstag abend mehr auf den Alexanderplatz gekommen, wohin der Frauenverband zu seiner ersten Kundgebung aufgerufen hatte.

Rund 800 Frauen, Kinder und ein paar Männer trafen sich dort, um gegen „Sozialabbau“ zu protestieren, der im Zuge der Wirtschaftsreform drohe. „Wir Frauen wollen nicht die ersten Verliererinnen in der neuen Gesellschaft sein“, eröffnete Uta Röth, Vertreterin des Verbandes am „Runden Tisch“, die Veranstaltung. „Dafür sind wir im November nicht auf die Straße gegangen“.

Schon heute sind in der DDR die ersten Anzeichen des Sozialabbaus zu bemerken. Die Leiterin einer „Schwangerenbetreuung“ berichtete von zunehmenden Abtreibungen, weil immer mehr Frauen in eine ungewisse Zukunft schauten, Angst vor Arbeitslosigkeit und den ständig steigenden Lebenshaltungskosten hätten.

Eine Erzieherin aus Berlin-Adlershof erzählte, dort habe das Kombinat „Berlin Chemie“ beschlossen, aus Kostengründen seinen Betriebskindergarten zu schließen. Die Eltern wurden darüber allerdings nicht informiert. Erst aufgrund des massiven Protests zeigte der Betrieb sich bereit, seine Entscheidung wenigstens mit den Betroffenen zu diskutieren.

Zum Stichwort Kinderbetreuung hatten auch die Erzieherinnen aus Westberliner Kitas ein Wörtchen mitzureden, die extra zu dieser Kundgebung eingeladen worden waren. Seit fünf Wochen befinden sie sich in einem Streik für einen neuen Tarifvertrag zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und der Situation der Kinder in den Tagesstätten. Böse Schelte bekam der Westberliner rot-grüne Senat ab. Für die Frauen in der DDR war es ein Blick auf die andere Seite der glänzenden Medaille Wohlstandsgesellschaft BRD.

Recht auf Arbeit, Umschulungsprogramme, Gleichberechtigung waren die wichtigsten Forderungen der DDR-Frauen auf der Kundgebung in Ost-Berlin, „damit wir nicht die Opfer einer verfehlten Männerpolitik werden.“

Mehr Teilnehmerinnen hätten sich die Organisatorinnen des Unabhängigen Frauenverbandes in der DDR allerdings schon gewünscht. „Wir sind noch viel zu wenige, eigentlich müßte der Alex platzen“, rief eine unter Beifall ins weibliche Publikum. Die Demonstration sollte aber auch erst ein Anfang sein. Am 8. März wollen die Frauen wieder in die Öffentlichkeit, dann aber mit mehr Power.

Uhe