Wahlfälschung von Stasi gedeckt

■ Stasi-Chef Mielke ordnete in einem Geheimbefehl an, die Kritiker der DDR-Kommunalwahlen mundtot zu machen / Wer am Wahlergebnis Zweifel äußerte, wurde von der Staatssicherheit überwacht

Berlin (taz/dpa) - Kritiker der Kommunalwahlen in der DDR hatten nie eine Chance. Das geht aus einem geheimen Befehl des früheren Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, vom 19. Mai 1989 hervor. In dem als vertrauliche Verschlußsache deklarierten Befehl wurde angeordnet, daß diejenigen, die die offiziellen Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 anzweifelten, mit einer vorformulierten Erklärung zur „ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen“ abgespeist und anschließend vom Stasi überwacht werden sollten.

Das fünfseitige geheime Papier wurde jetzt vom Bürgerkomitee in den Aktenschränken der ehemaligen Stasi -Bezirksverwaltung in Leipzig gefunden und in der 'Berliner Zeitung‘ veröffentlicht.

Der Befehl mit der „MfS-Nummer 08-38/89“ enthielt „Maßnahmen zur Zurückweisung und Unterbindung von Aktivitäten (...), zur Diskreditierung der Ergebnisse der Kommunalwalen vom 7. Mai 1989“. Das Feindbild des Stasi: „Innere Feinde“ würden versuchen, eine „angebliche Fälschung von Wahlergebnissen“ nachzuweisen. Die Befehlsempfänger wurden über sogenannte „Inspiratoren/Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit und reaktionärer kirchlicher Amtsträger“ aufgeklärt. Beschwerden über die Wahlergebnisse mußten an die Sekretäre der örtlichen Wahlkommissionen übergeben werden. Deren Aufgabe war es dann, die „ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen zu bestätigen“. Weiter wurde festgelegt, daß der Versand von Beweisen für Wahlmanipulationen unterbunden werden sollte. Alle Aktivitäten von Bürgern, die das Wahlergebnis anzweifelten, sollten gemeldet und in besonders schweren Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Die oberste Parole des heute 82jährigen Mielke: „Auf jeden Fall ist zu vermeiden, daß zur Sache selbst oder zu den angeblichen Fakten argumentiert wird.“

Wer Zweifel am Ausgang der Wahlen formulierte, wurde sofort Beobachtungsobjekt des Stasi. Zu sichern sei, heißt es in dem Befehl weiter, „daß die gründliche operative Durchdringung feindlicher, oppositioneller und anderer negativer Personenkreise vor allem mit dem Ziel erfolgt, weitere beabsichtigte Aktivitäten zur Diskreditierung der Ergebnisse der Kommunalwahlen rechtzeitig zu erkennen und vorbeugend zu verhindern.“

Die umfassenden Spitzeleien der Stasi - ab 1985 sollte der Geheimdienst die DDR auf Befehl Mielkes und Honeckers sogar „flächendeckend“ überwachen - sind rekordverdächtig. Nach einem Bericht des 'Thüringer Tageblatts‘ wurde die größte Akte Deutschlands von der Stasi-Bezirksverwaltung in Gera angelegt. Der Aktensatz soll aneinandergereiht eine Strecke von 1,5 Kilometern ergeben. Nach dem Guinness-Buch der Weltrekorde galten bislang die 10.000 Sammelordner mit Unterlagen über den schnellen Brüter in Kalkar als „größte Akte aller Zeiten in Deutschland“. Im Unterschied zu anderen DDR-Bezirken, wo Akten zum großen Teil vernichtet wurden, konnte in Gera die 50 Tonnen schwere Kerndokumentation mit der Zentralkartei der früheren Bezirksverwaltung lückenlos sichergestellt werden.

wg