Direkt und drastisch

■ Über den brasilianischen Autor Rubem Fonseca

Spätestens seit der Übersetzung seines Romans Bufo & Spallanzani vor gut zwei Jahren dürfte der brasilianische Erfolgsautor Rubem Fonseca - unlängst übrigens auf Einladung des DAAD in West-Berlin - auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt sein. Ebenfalls bei Piper sind nun mit Der Abkassierer und Das vierte Siegel zwei Erzählbände erschienen, die einen insgesamt guten Einblick in das literarische Schaffen des ehemaligen Verwaltungsrechtlers aus Minas Gerais geben.

Bis zu seinem 38.Lebensjahr zunächst im Polizeidienst, dann als Dozent und zuletzt als Direktor der Elektrizitätswerke von Rio de Janeiro beschäftigt, begann Fonsecas schriftstellerische und journalistische Karriere relativ spät: 1963 wurden mit Os Prisoneiros (Die Gefangenen) und A Coleira do cao (Das Hundehalsband) seine ersten Erzählbände veröffentlicht, denen bis heute vier weitere sowie drei Romane folgten.

Sich den ungeschminkten Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten bewahrend, kann Fonseca vor allem mit seinen Kurzgeschichten als Chronist des brasilianischen „Wirtschaftswunders“ und seiner unübersehbaren Widersprüche gelten.

Abseits der gängigen Klischees vom bunten Treiben am Zuckerhut zwischen Karneval und Copacabana schildert er Ausschnitte des Alltags seiner Wahlheimat Rio de Janeiro in direkter, drastischer Sprache, denen ein durchweg schnörkelloser Aufbau seiner Erzählungen entspricht.

Die Protagonisten von Fonsecas Erzählungen entstammen bevorzugt dem kleinbürgerlichen Milieu, sie zählen in erster Linie zu den Verlierern jenes Modernisierungsmodelles in der Dritten Welt, das allenfalls einer sehr kleinen Schicht die Wahrung ihres Besitzstandes gestattet: Daß die Gewalt einen zentralen Platz in seiner Kurzprosa einnimmt, insbesondere in seinen jüngeren Arbeiten (Feliz ano novo/Fröhliches Neues Jahr, 1975, und O Cobrador/Der Abkassierer, 1979), erscheint da nur konsequent.

Eine Gewalt, die nicht allein der Sicherung des Status quo dient, sondern längst den Alltag der Zukurzgekommenen bestimmt, die individuelle Lösungen suchen: Das spiegelt sich in ihren Geschlechterverhältnissen wie in ihrem Haß auf jene, die kalt, zynisch und korrupt ihre Macht in strenggesicherten Nobelvillen verteidigen.

Mögen Rubem Fonsecas Kurzgeschichten allzu hochgesteckten literarischen Erwartungen auch nicht unbedingt gerecht werden, so geben die vorliegenden Erzählbände einen guten Eindruck von moderner brasilianischer Großstadtprosa. Warum allerdings der Münchner Verlag in seiner Editionspraxis davon abgerückt ist, die Originalausgaben in Übersetzung anzubieten und statt dessen fast zeitgleich zwei Ausgaben mit ausgewählten Erzählungen derselben Vorlagen anbietet, bleibt unverständlich.

Rainer Braun

Rubem Fonseca: Der Abkassierer. Serie Piper 1120, 203 Seiten, 14,80 DM

ders.: Das vierte Siegel. Piper Verlag, 187 Seiten, 32,- DM

Beide Bände hat, exzellent, Karin Schweder-Schreiner übersetzt.