Privater Wohnungsbau soll helfen

■ In Polen kündigen drastische Mieterhöhungen die nächste Reform an / Umverteilung der Subven- tionen: Wohnungen sollen höchstens 7 Prozent des Lohns kosten - der Rest kommt vom Sozi

Warschau (taz) - Noch nie waren sie so wertvoll wie heute: Polens Wohnungen. Angesichts der Ankündigungen des neuen, liberalen Wohnungsbauministers Aleksander Paszynski könnten sie sich bald zu wahren Goldgruben entwickeln - allerdings nur für die Vermieter. Das ist auch mehr oder weniger das Ziel seiner Politik, die - unter dem Motto „Die Wohnung als Ware“ - damit versucht, die Polen zum Bauen zu bewegen. Zumindest dafür ist höchste Zeit: Im Vergleich zum Vorjahr wurden 1989 in Polen 27 Prozent weniger Wohnungen übergeben; das ist ein absoluter Negativrekord in der Nachkriegszeit.

Bereits über eine Million Wohnungsloser gibt es im ganzen Land. Einer der Gründe dafür ist laut Paszynski die Tatsache, daß sich der Bau von Wohnungen nicht lohnte. Bei den Sozialwohnungen deckten die Mieten nur etwa 20 Prozent der Kosten von Abschreibungen bis zur Instandhaltung. Die Mieteinkünfte aus Privateigentum wurden so hoch besteuert, daß es nur unter der Hand geschah. Im Genossenschaftswesen breitete sich unterdessen ein ganz eigentümliches Unwesen aus. Da gab es genossenschaftliche Mietwohnungen und genossenschaftliche Eigentumswohnungen. Letztere allerdings durften aber nur mit Zustimmung der Genossenschaft weitervermietet werden, wie überhaupt der Besitz von mehr als einer Wohnung verboten war. Heiratete eine Wohnungsinhaberin einen Wohnungsinhaber, mußten die beiden sich entscheiden, wer seine Wohnung abgibt. Zugleich erwiesen sich die staatlichen Baufirmen als unfähig, ihre Aufgaben zu erfüllen. Kein Material, kein Geld, keine Lust: So entstanden in jahrzehntelanger Zeitlupenarbeit riesige und häßliche Wohnblöcke, von denen viele bereits kurz nach der Übergabe Risse und Verwerfungen aufwiesen. Doch die potentiellen Mieter warteten oft bis zu dreißig Jahre geduldig auf eine Zelle in den riesigen Bienenwaben.

In Zukunft nun soll der Kunde König sein, vorausgesetzt, er zahlt entsprechend: In zwei Stufen sollen die Mieten so angehoben werden, daß sie ab 1.Januar 1991 alle Kosten decken und darüber hinaus für die Eigentümer noch Gewinn abwerfen. Trotzdem sollen die Mieten nicht mehr als 7 Prozent des Einkommens der Mieter übersteigen. Andernfalls springt das Sozialamt ein. Jene Subventionen in Zloty -Billionenhöhe, die bisher als verbilligte Kredite an die staatlichen Baufirmen flossen, sollen nun an die Mieter umverteilt werden. Paszynski: „In Zukunft soll der Erbauer und Vermieter um Mieter werben, und nicht mehr umgekehrt.“

Einstweilen stehen die Baufirmen allerdings wegen der hohen Kreditzinsen, der Steuererhöhungen und der ausbleibenden Subventionen vor dem Ruin. Paszynski läßt das kalt: „Wir werden sie nicht subventionieren. Wenn sie vom Staat keine Aufträge bekommen, steht dem nichts im Wege, daß sie sich selbst Auftraggeber suchen“ - etwa im privaten Wohnungsneubau.

Mit harten Bandagen geht der Minister auch gegen bisherige soziale Errungenschaften an, wie die Gewerkschaften die Einrichtung der Betriebswohnungen nennen: Die Wohnung ist häufig als Betriebseigentum eine Art Teil des Lohns, was häufig dazu geführt hat, daß Menschen nur deshalb einen schlecht bezahlten Job annahmen, weil er mit der Zuteilung einer Wohnung verbunden war. Diese Zeiten gehen ebenfalls zuende. Immer weniger Betriebe können sich die Unterhaltung und Bezuschussung dieser Wohnungen leisten. Paszynski rät ihnen daher, sie abzustoßen: „Das Soziale muß vom Wirtschaftlichen getrennt werden.“

Offen bleibt, was mit den MieterInnen geschieht: Wie lange etwa darf eine entlassene Arbeiterin ihre Betriebswohnung noch behalten? - Auch das Arbeitslosengesetz gibt darüber keine Auskunft. Nur soviel: „Zu Fragen der Betriebswohnungen sind die Gewerkschaften zu konsultieren.“

Insgesamt stehen den MieterInnen also harte Zeiten bevor: Weniger Wohnungen, aber für höhere Mieten. 4 Millionen PolInnen sind insgesamt von der Reform betroffen.

Klaus Bachmann