Hacker-Spione wieder auf freiem Fuß

Im Celler Spionage-Prozeß verhängte der Staatsschutzsenat gegen alle drei Angeklagten Bewährungsstrafen  ■  Aus Celle Jürgen Voges

Drei der Agententätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst KGB angeklagte Computerfreaks aus Hannover können wieder hacken. Mit Bewährungsstrafen zwischen 14 Monaten und zwei Jahren ging gestern vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle ein Spionage-Prozeß zu Ende, der über die Grenzen hinaus für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ verurteilte das Gericht den 35jährigen Croupier Peter C. zu zwei Jahren, den 28jährigen Programmierer Markus H. zu 18 und den 30jährigen Computerfachmann zu 14 Monaten Freiheitsstrafe. Den Angeklagten wurden außerdem für drei bzw. zwei Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Von ihrem Agentenlohn müssen sie Summen zwischen 10.000 und 3.000 Mark an die Bundesrepublik Deutschland zurückzahlen. Mit der Aussetzung der Strafen auf drei Jahre zur Bewährung hob das Gericht auch die Haftbefehle gegen Dirk B. und Peter C. auf, die seit Anfang März vergangenen Jahres in Untersuchungs- bzw. aufgrund vorausgegangener Urteile in Strafhaft gesessen hatten.

Der Celler Staatsschutzsenat ging zwar in der Urteilsbegründung davon aus, daß durch die Bemühungen der Hacker weder der Bundesrepublik noch den USA „ein nachweisbarer erheblicher Schaden entstanden“ sei. Dennoch sprach der Vorsitzende Richter Leopold Spiller „von einer herkömmlichen konspirativen Agententätigkeit“. Bei insgesamt mindestens 25 Treffen des gelernten Croupiers Peter C. mit dem hauptamtlichen KGB-Agenten Serge in Ost-Berlin sind nach Aufassung des Gerichts sowohl Software-Disketten als auch aus militärischen Rechnern erhackte Daten an den KGB geliefert worden. Für den sowjetischen Geheimdienst KGB, der sich den Spaß 90.000 DM plus 14.000 DM Spesen kosten ließ, seien die Lieferungen nicht uninteressant gewesen, sagte der Vorsitzende Spiller in seiner Urteilsbegründung. Das Angebot der Hacker, auch Zugangsberechtigungen zu westlichen Computern zu liefern, sei nur deswegen auf Desinteresse gestoßen, weil „die Sowjets zur Nutzung dieses Wissens noch nicht in der Lage waren“.

Bei den Hackern, die anfangs ihre gesamten Erkenntnisse zum Preis von einer Million DM an einen östlichen Geheimdienst hätten verkaufen wollen, hätte der Rubel als Motiv im Vordergrund gestanden, sagte Spiller. Demgegenüber sei der Gedanke der Weltverbesserung, des Kräfteausgleichs zwischen Ost und West im Hintergrund geblieben und habe nur der Besänftigung des eigenen Gewissens gedient. Der Croupier Peter C., der den Kontakt zum KGB hergestellt und zweieinhalb Jahre gehalten habe, sei zum Zwischenagentenführer aufgebaut worden. Den Angeklagten Markus H. nannte der Vorsitzende einen „fleißigen Lieferanten und eifrigen Sucher“. Das Gericht folgte damit der Aussage des US-Computerfachmanns Clifford Stoll, der Markus H. bei zahlreichen Datenreisen durch militärische und zivile US-Computersysteme verfolgt hatte. Markus H. hatte noch vor Gericht vehement bestritten, diese Datenreisen im Auftrage des KGB unternommen zu haben. Das Gericht sah es allerdings als erwiesen an, daß eine fingierte SDI-Datei, die Stoll bei seiner Jagd auf den Hacker angelegt hatte, nur von Markus H. von Hannover aus gelesen wurde. Der Brief eines US-amerikanischen KGB-Agenten, der sich später an eine in dieser Datei angegebene Adresse gewandt hatte, reichte den Richtern als Beweis der Weiterleitung der fingierten Datei gen Osten. Nur auf Grundlage dieser Konstruktion führte das Gericht in seinem Urteil schließlich „den Nachweis“ des Hackens für den KGB. Andere Vorwürfe, wie die Lieferung von Software nach Ost-Berlin, hatten die Angeklagten im Prozeß selbst zugegeben. Mit dem Strafmaß zeigten sich allerdings nach Prozeßende alle drei Angeklagten und ihre Verteidiger zufrieden. Auch der Vertreter der Bundesanwaltschaft will auf eine Revision verzichten, wenn die Vorgesetzten in Karlsruhe ihr Jawort geben