Niederlage für Rebmann

Haftentschädigung für 129 a - Angeklagten Rolf Hartung / 9 Monate unschuldig in Untersuchungshaft  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Sämtliche Vorwürfe gegen den von der Bundesanwaltschaft als RAF-Mitglied und RAF-Bombenleger verfolgten Rolf Hartung haben sich in Nichts aufgelöst. Mit Beschluß vom 22.1. 1990 gestand der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart dem in der Düsseldorfer Kiefernstraße lebenden Hartung eine Entschädigung für alle Strafverfolgungsmaßnahmen „dem Grunde nach“ zu, wie jetzt bekannt wurde. Über die Höhe der Entschädigungsumme wird noch verhandelt. Der am 4.10. 1988 in Düsseldorf verhaftete Hartung saß insgesamt neun Monate unschuldig in U-Haft. Daß ihm nun eine Entschädigung zuerkannt wird, unterstreicht, auf welch skandalös tönernden Füßen die am 24.11. 1989 zurückgezogene Anklage der Bundesanwaltschaft beruhte.

Nie zuvor ist in der Bundesrepublik in einem 129a-Verfahren (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) ein Beschuldigter entschädigt worden. Fast ausnahmslos lehnen die Gerichte in solchen Verfahren die Ansprüche mit Hinweis auf die Paragraphen 5 und 6 des Entschädigungsgesetzes ab. Danach geht der Verfolgte leer, wenn er selbst „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ die Strafverfolgungsmaßnahmen „verursacht“ hat. Im Falle von Rolf Hartung gab selbst diese Gummiformulierung für einen „Versagungsgrund“ nichts her.

Von der Bundesanwaltschaft war Hartung Mitgliedschaft in der RAF und die Beteiligung an den RAF-Bombenanschlägen auf die Immenstaader Dornier Werke und das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 1986 vorgeworfen worden. Als einziges „Beweismittel“ diente der Anklage seinerzeit ein Schriftgutachten des Hamburger Privatsachverständigen Hans Ockelmann, der Hartung als Urheber Fortsetzung Seite 2

eines handschriftlichen Warnschreibens zum Dormier-Anschlag und einer handschriftlichen Einfügung in einem Bekennerschreiben zum Kölner Anschlag bezeichnet

hatte. Hartung, so urteilte Ockelmann, sei ohne jeden Zweifel „als der gesuchte Schreiber zu bezeichnen“. Der Bundesanwaltschaft reichte dieses Gutachten. Auch der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes ignorierte alle Bedenken und lehnte noch am 3. März 1989 eine Haftbeschwerde ab.

Der Ermittlungsrichter habe „zu Recht“ den „dringenden Tatverdacht in erster Linie auf die Gutachten“ von Ockelmann gestützt, urteilten die Richter. Wenige Monate später wurde Ockelmann auf vernichtende Weise von dem LKA

Schriftgutachter Dr. Nissen fachlich demontiert. Dessen Gutachten seien „im Ergebnis falsch“, befand der LKA-Mann. Danach konnte selbst die Rebmann-Behörde an ihrem Spezialgutachter, der in vielen RAF-Verfahren als eine Art Geheimwaffe eingesetzt worden ist, nicht mehr festhalten. Nun zog Rebmann die Anklage, die bis dahin ohne jede Rücksicht auf die begründeten Zweifel durchgezogen worden war, zurück.

Das Verhalten der Bundesanwaltschaft, das einer Rechtsbeugung gleichkommt, bescherte Rolf Har

tung neun Monate Haft und ließ ihn - wie berichtet - zum öffentlichen Spielball einer beispiellosen, von der Düsseldorfer CDU inszenierten Medienhetze werden. Dabei wurde Hartung, nach Hinweisen aus der CDU, z.B. In der „Welt“ am 13.10. 1988 eine „Schlüsselrolle“ beim RAF -Anschlag auf den Staatssekretär Tietmeyer angedichtet. Seine Verhaftung nahm die CDU gezielt zum Anlaß, um die Verhandlungen über die besetzten Häuser in der Kiefernstraße zu torpedieren und Innenminister Schnoor als Sicherheitsrisiko vorzuführen.