Stoltenberg: Schotten dicht und abtauchen

Minister geht in der U-Boot-Affäre auf Tauchstation: Er habe den geheimen Bericht nicht gekannt  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat die Vorwürfe zurückgewiesen, er habe im Zusammenhang mit dem illegalen Export von U-Boot-Plänen nach Süd-Afrika Strafverteitelung im Amt betrieben. Den jetzt bekanntgewordenen geheimen Bericht aus dem Finanzministeriums, der belegt, wie der Minister als Geleitschutz die Ermittlungen gegen die staatseigene Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) und das Lübecker Industrie-Kontor (IKL) gezielt unterdrückt hat, ließ Stoltenberg als „reine Spekulation mit völlig falschen Schlußfolgerungen“ bezeichnen: Der Beamte habe den „Sachverhalt nicht richtig einordnen können“. Stoltenberg selbst will von der Existenz des im Juli 1987 gefertigten Berichts erst jetzt „aus der Presse“ erfahren haben.

In der gestrigen Debatte im Bundestag wiesen SPD und Grüne auf die Gründe hin, warum Stoltenberg seine schützende Hand über die Rüstungsmanager hielt, denen er außerdem als Aufsichtsratsvorsitzender des staatseigenen HDW -Mutterkonzerns Salzgitter AG vorstand. Bundeskanzler Kohl, Außenminister Genscher und der verstorbene CSU-Chef Strauß seien seit Beginn des Geschäfts im Jahre 1984 eingeweiht und hatten den Unternehmen „grünes Licht“ für ihr kriminelles Tun signalisiert. Der SPD-Abgeordnete Norbert Gansel äußerte die Überzeugung, es habe im Zusammenhang mit der Lieferung „Provisionszahlungen“ in zweistelliger Millionenhöhe gegeben. Die Abgeordnete Uschi Eid (Grüne) will Minister Stoltenberg als ersten Zeugen vor parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur U-Boot-Affäre laden. Frau Eid verwies darauf, daß Bundeskanzler Kohl in der Affäre mehrfach die Unwahrheit gesagt habe, Außenminister Genscher (FDP) die Staatsanwaltschaft mehrfach blockkierte und Wirtschaftsminister Haussmann (FDP) der Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gar verboten habe. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU -Fraktion Bohl nannte die Aufklärungsbemühungen der Opposition „politische Probebohrungen“, die ohne Erfolg bleiben würden.

Der jetzt bekanntgewordene geheime Bericht aus dem Finanzministerium listet eine Vielzahl von Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das für die BRD völkerrechtlich bindende UN-Waffenembargo gegen Südafrika auf. Den Fortsetzung auf Seite 2

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noch ignorierte Stoltenberg als damaliger Finanzminister den dringenden Rat, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Statt dessen wurde ein pro forma geführtes Ordnungswidrigkeitsverfahren der - Stoltenberg weisungsgebunden unterstellten - Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel planmäßig eingestellt. Der Beamte wies sowohl auf zahlreiche Indizien für eine bis heute andauernde Fortführung des Geschäfts hin und

dokumentierte, daß alle Aussagen über den Umfang der Lieferungen allein auf Angabben der Waffenschieber selber basierten und nicht auf Recherchen der OFD Kiel.

Ob der brisante Bericht der jetzt ermittelnden Staatsanwaltschaft Kiel zur Verfügung gestellt wird, scheint zweifelhaft. Der parlamentarische Finanzstaatssekretär Carstens (CDU), der die Existenz des Berichts gegenüber der Abgeordneten Angelika Beer (Grüne) bereits im Dezember letzten Jahres bestätigte, vertrat im Parlament zugleich, eine „Herausgabe ist nicht vorgesehen“.

Der angeblich so wirre Bericht falle unter die Materialien aus dem „grundsätzlich nicht anforderbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Bundesregierung“. Die Staatsanwaltschaft Kiel hat die Bundesregierung bereits um Überlassung des Berichts gebeten.