Neu im UT-Kino: „Die Geschichte der Dienerin“

■ Männliche Makulatur

Der Staat Gilead, die früheren Vereinigten Staaten von Amerika, irgendwann in der Zukunft: Die Kolonien sind vergiftet und verseucht. Das Kernland ist hermetisch abgeriegelt und vollständig unter Bewachung. In den Straßen und an den Fabrikmauern baumeln Erhängte mit Plastiktüten über den Köpfen. Gilead befindet sich im Krieg an zwei Fronten. Gegen sogenannte Terroristen und gegen Umweltgifte.

Dieses düstere Szenario ist die Ausgangslage von Volker Schlöndorffs Die Geschichte der Dienerin. Das Leben in dieser Umgebung ist spröde, gedrückt und gefährlich. Besonders für die Frauen. Nur noch ein Bruchteil ihrer Population ist gebärfähig. Diese Frauen werden in Ausbildungslagern konzentriert und den Männern der Oberschicht zugeführt. Das perfekte Gebärmaschinensystem funktioniert deshalb so gut, weil es in ein pseudo -religiöses Gesellschaftssystem integriert ist.

Nicht uninterssant, diese Zukunftsvision der kanadischen Autorin Margaret Atwood, die mit ihrem Roman „The Handmaid's Tale“ die Vorlage schrieb. Schlöndorff hatte hervorragende Produktionsbedingungen. Das Drehbuch schrieb Harold Pinter, Geld genug gab es auch, und so konnte sich der Regisseur renommierte SchauspielerInnen leisten wie Robert Duvall und Faye Dunaway. Doch das beste Umfeld muß nicht zwingend Qualität hervorbringen. Das amerikanische Publikum scheint dem Regisseur das filmische Maß aller Dinge.

Die Geschichte der Magd Offred (Natasha Richardson) beginnt ebenso beklemmend wie sie belanglos endet. In kurzen Worten: Nach dem bedrückenden Intro mit den entpersönlichten Menschenmassen und dem Herausfiltern der fertilen Frauen hätte es so richtig losgehen können. Der faschistoide Männerstaat wird in seinen Grundstrukturen nicht ansatzweise erfaßt, wir sehen ein altbekanntes Konglomerat aus Klischees männlicher Herrlichkeit. Uniformen, Waffen, Alkohol und Lügen. Das Gespann Schlöndorff/Pinter verliert sich in devoten Gesten der Dienerin, die nicht nur mausgesichtig durch den Film schwebt, sondern, dem kleinen Nager gleich, auch nicht mehr als kleine Kratzer auf der männlichen Makulatur hinterlassen kann. Die sogenannte „Zeremonie“, dem alten Testament entnommen, bei der die zu schwängernde Dienerin auf der unfruchtbaren Ehefrau liegt, verkommt zur Belanglosigkeit. Gerade die religiös-sexuelle Vereinahmung der Frauen, ihre Gefühle und die Möglichkeiten des Widerstandes, kleben dramaturgisch an der Oberfläche. Ein bißchen Unterdrückung, Zerstörung und die nötige Prise Love -Affair, schon sind über zehn Millonen Dollar über den Jordan.

Wenn bei einem geübten Kino-Seher nicht mehr hängen bleibt als greuliche Massenszenen, dann kann der Film nicht viel taugen. Jürgen Franck