Schicksal der Schlamperei

■ Dusan Kleins „In Ordnung, werte Genossen“

Eine Kloschüssel in Untersicht, ein Schwenk hoch zu ihrem riesigen Maul - und schon freut man sich auf den bekannten tschechischen Surrealismus. Hinter der Kloschüssel ein Akkordeonspieler, weitere Sanitärobjekte auf einem Platz, die Kamera hebt nach oben ab, zeigt einen Zuschauerkreis, der sich immer mehr erweitert. Schnitt. Damit ist der Surrealismus vorbei. Die nächste Einstellung blickt auf einen Wecker, 6.40 Uhr, was folgt, ist enger sozialistischer Alltag und gibt das eben Gesehene als Traumvision aus.

Schon reihen sich die Versatzstücke lückenlos aneinander, die zu dieser Art Geschichtsschreibung gehören: der durch und durch morsche Betrieb, die korrupten und vor lauter Durchmogelei aus den Persönlichkeitsfugen geratenen Funktionäre, der Plan und sein gezielter Unterschleif, die Zwänge zur Sprachakrobatik, die Mietskaserne am Stadtrand, das Wohnzimmer mit der 50er-Jahre-Schrankwand, der eingeschlafene Ehesex und die halb mißratenen Kinder: man kennt sie bereits, die zum relativen Scheitern verurteilte Odyssee des Filmhelden, wie sie Dusan Kleins Film In Ordnung, werte Genossen bieten wird.

Filmästhetisch jedenfalls ist es nicht unbedingt zu bedauern, daß die Phase des real existierenden Sozialismus in Osteuropa zu Ende geht. Zu oft haben wir sie nun gesehen, diese mit Blümchentapeten, Pokalen und Ehrendiplomen ausstaffierten Parodien auf das funktionierende Pannensystem, die sich mit jedem Filmmeter tiefer in die Absurdität hineinschrauben - nicht ohne ein ironisches Augenzwinkern und ein gewisses Sichsuhlen im verordneten Schicksal der Schlamperei.

Dabei ist Bohumil Fischer ein durchaus tatkräftiger und zum Guten entschlossener Mann. Neben seiner Liebe zum Akkordeon und seinem Traum einer Straßensängerkarriere lebt er vor allem den wiederholten Versuchen, seine Frau davon zu überzeugen, daß ihre Mutmaßungen bezüglich seiner Impotenz gegenstandslos sind.

Er kümmert sich um seine Zwillingstöchter, die ihm auf seine Anfragen immer nur quäkend im Chor antworten und deren mit Popmusik angefüllte Pubertät und Haartollen „a la Arsch“ er nicht versteht.

Er besucht seine Eltern im Altersheim, wo seine Mutter, leicht geistesumnachtet, alte österreichische Lieder zur Schallplatte singt und einem Fetischismus für Stoffetzen huldigt, mit Hilfe derer sie sich ein Stück Lebensgeschichte zusammenflickt, und wo sein willenloser Vater im Hochzeitskäppi rumläuft. Er hält Kontakt zu seinem Bruder, der sich mit seiner Frau ein Jahrmarktskarussel kauft und Bohumils Kinder als Katenverkäuferinnen einsetzen will.

Er macht sich Sorgen darum, daß seine Töchter ohne BH zur Schule gehen und einen Freund besuchen, der Boris heißt; er versucht ihre Russischlehrerin durch einen gewagten Flirt dazu zu bringen, ihnen trotz ungenügender Zensuren den Zugang zum Abitur zu ermöglichen.

Neben diesen Privatsorgen plagt ihn der Betriebsalltag. Kloschüsseln, Pissoirs und Waschbecken bilden den allgegenwärtigen Hintergrund zu der ihn immer mehr vereinnahmenden Verwaltungstätigkeit nach dem Motto „Hoch die Fahne der weißen Sanitärkeramik“. Alle Versuche der Behebung von Mißständen scheitern; er darf Kollegen, die sich vom Arbeitsplatz entfernen, nicht rügen, um die anstehende Prämienverteilung nicht zu gefährden. Er muß lieb Kind spielen vor dem das Werk besichtigende Minister, dem beim Festessen natürlich die Soße auf den Hosenlatz tropft, so daß sich die Sekretärin gedrängt fühlt, die besagte Stelle mit heißem Wasser zu bearbeiten. Den Patzer im Protokoll übertüncht Bohumil, indem er dem Gast den letzten im Betrieb verbliebenen Kachelofen für seine Wochenenddatscha schenkt. Und auch die sich auf dem Betriebsausflug ihm offerierende Sekretärin gebraucht er nicht - beste Voraussetzungen, um wirklich krank zu werden und sich, im Bett liegend, zu einer Ofensetzerkarriere zu entschließen - als er zum Direktor ernannt wird und von da ab erst recht nunmehr von seiner Straßensängerkarriere träumen kann.

Es wird einem eng, in so viel aufgestauter Miefigkeit und 50er Jahre Ästhetik. Man wünscht sich schon nach der Hälfte des Films hinaus in die kalte Berliner Nacht. Da gilt es noch weitere 60 Minuten mitzuleiden mit Bohumil, dem zum dritten Mal der Bekannte aus dem Haus die aktuellen Wetternachrichten als Geheimmeldung hinter vorgehaltener Hand zuflüstert: 1015 Hektopascal!

Michaela Ott

In Ordnung, werte Genossen von Dusan Klein, mit: Milan Lasica, Jana Hlavacova, CSSR 1989, 120 Minuten

17.2. Filmpalast Berlin, 19.00 Uhr