Vietnam will DDR-Arbeiter abziehen

■ Komitee Cap Anamur befürchtet sofortigen Abtransport / Auch Kubaner sollen zurück

Berlin (taz) - Die Zeit für ausländische Arbeitskräfte in der DDR läuft offenbar ab. Die etwa 9.000 kubanischen ArbeiterInnen sollen bis Ende 1991 nach Hause geholt werden. Bis 1995 will die vietnamesische Regierung rund 60.000 VietnamesInnen zurückbeordern, die für einen Zeitraum von vier Jahren als Fabrikarbeiter an die DDR faktisch ausgeliehen wurden. Dies habe die vietnamesische Regierung bereits vor einigen Tagen bekannt gegeben, erklärte gestern Pastorin Almuth Berger, die als Vertreterin von Demokratie Jetzt der Kommission Ausländerpolitik des Runden Tisches angehört.

Nach Angaben des Komitees Cap Anamur steht den VietnamesInnen die Abreise kurz bevor. Entsprechende Informationen habe er aus Kreisen der vietnamesischen Botschaft erhalten, erklärte der Vorsitzende des Komitees, Rupert Neudeck gestern der taz. Dies wurde allerdings vom stellvertretenden Sprecher der DDR-Regierung, Ralf Bachmann, umgehend dementiert. Niemand werde vorzeitig zurückgeführt, erklräte er.

Irgendwelche Bestrebungen, Vietnamesen in einer Blitzaktion zurückzubeordern, gibt es auch nach Angaben von Almuth Berger nicht. „Aber die Befürchtungen sind da.“ Die Pastorin warnte allerdings vor Panikmache, die Verunsicherung unter den ausländischen ArbeiterInnen sei ohnehin schon groß genug. Der Runde Tisch setzte sich dafür ein, daß niemand gegen seinen Willen nach Hause geschickt werde.

Neudeck sagte weiter, es gebe offenbar eine gemeinsame Absprache zwischen der Polizei in Ost- und West-Berlin, VietnamesInnen zurück nach Ost-Berlin zu schicken. Ein Sprecher der Berliner Innenverwaltung wies diese Behauptung zurück.

Seit dem 9. November haben mindestens 3.000 VietnamesInnen die offenen Grenzen zur Flucht nach West-Berlin genutzt und dort um politisches Asyl gebeten.

Sie begründen ihre Anträge mit der politischen Situation in Vietnam. Während ihres Arbeitsaufenthaltes in der DDR waren sie rigider Kontrolle durch ihre Botschaft ausgesetzt, wurden allerdings - wie andere ausländische Arbeitskräfte auch - von den DDR-Betrieben oft menschenunwürdig untergebracht und schlecht behandelt.

Die vietnamesische Botschaft hat bereits vor Wochen bei DDR -Behörden auf strengere Grenzkontrollen gedrungen, nachdem die ersten VietnamesInnen die offenen Grenzen zur Flucht nach West-Berlin genutzt hatten.

Auf Ost-Berliner Seite wird seitdem schärfer kontrolliert. Beim Versuch, am Brandenburger Tor über die Mauer zu klettern, wurde ein Vietnamese vor kurzem von DDR -Grenzpolizisten wieder heruntergerissen und abgeführt.