Plädoyer gegen AKW's

■ „Die AKW-Zunft im 'Stimmungsumschwung'“ taz, 1.2.1990

Das „Deutsche Atomforum“, das Sprachrohr der Bundesdeutschen Atomgemeinde, hofft auf Aufträge für die DDR-Atomsanierung, die bundesdeutschen Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen, voran die PreAG und die RWE, hoffen auf einen großdeutschen Stromverbund mit Stromlieferungen in die DDR, zur besseren Auslastung ihrer sonst immer bestrittenen Kraftwerksüberkapazitäten. Durch die Diskussion um eine wahrscheinliche Klimakatastrophe verspürte die Atomgemeinde, nach Tschernobyl, nun erstmalig wieder Aufwind. Vor dem Hintergrund der sicherlich wackeligen Stromversorgungslage der DDR und möglichen Stromlieferungen aus der BRD in die DDR, glauben die alten Atomstrategen offensichtlich einen neuen Ansatz zur Aufhebung der Akzeptanzprobleme gefunden zu haben. Hierbei scheinen die Atomlobbyisten offensichtlich die Gefahr eines großen atomaren Unfalls mit vielen zehntausend Toten billigend in Kauf zu nehmen, und das soll an dem folgenden Beispiel aufgezeigt werden: Die Nuklear Regulatory Commission (NRC) in den USA hat die Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze in einem Atomkraftwerk mit 1:30.000 pro Reaktorjahr errechnet. Es gibt z.Z. ca. 375 Atomkraftwerke weltweit. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung der NRC bedeutet dies, daß alle 80 Jahre ein schwerer Atomunfall (schlimmer als der Unfall von Tschernobyl) eintritt. Wenn man nun den Empfehlungen des Präsidenten der Kernforschungsanlage Jülich, Prof. Häfele, folgt, so müßten sehr viel mehr Atomkraftwerke gebaut werden. Häfele vertritt z.B. die Meinung, daß nur eine weltweite Steigerung der Atomkraftkapazitäten um das Siebenfache die Menschheit vor dem sog. Treibhauseffekt retten könne. Das bedeutet über 2.600 AKWs weltweit.

Aber es geht auch anders! Aufgrund des Unfalles des AKW Tschernobyl ist vor drei Jahren der Bremer Energiebeirat eingesetzt worden, der in seinen Szenarienvorschlägen für die Stadt Bremen u.a. aufgezeichnet hat, daß bis zum Jahr 2010 ca. 40% des Energieverbrauchs durch eine rationelle Energienutzung eingespart werden kann. Die so erreichbare Energieeinsparung von nahezu 40% für Bremen wäre ein Minderverbrauch von ca. 6.500 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr, was die Freisetzung von klimaschädigenden Spurengasen ebenfalls um ca. 40% reduzieren würde. Wollen wir die Energie rationell einsetzen oder wollen wir weitere Atomkraftwerke dulden? Und sollten wir der DDR etwas empfehlen , was bei uns keine Akzeptanz in der Bevölkerung hat? Jürgen Frank