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Japanische Demokratie

Die Wahlen gewinnen immer die Liberaldemokraten  ■ K O M M E N T A R E

Takako Doi, die japanische Sozialistenführerin, sie hat es nicht geschafft. Noch einmal hat die Vergangenheit die Gegenwart eingeholt und überwältigt. Seit Jahrzehnten feingesponnene Netze lokaler Verbindlichkeiten haben Nippons Wähler gefangengehalten. Nur so ist zu erklären, warum sich nach sämtlichen Meinungsumfragen zwar nur ein Fünftel aller Japaner für die Fortsetzung der Alleinherrschaft der Liberaldemokraten ausspricht, wohl aber eine kanppe Mehrheit von Nippons Wählern den LDP-Kandidaten vor Ort wählt. Der ist den Nachbarn eben besser bekannt als der aus Tokio dahergelaufene Sozialist. Von ihm weiß man, daß seine Kontakte ins Tokioter Ministerium den Ausbau der Dorfhauptstraße bewirkt haben. Seine Familie gehört zur Gegend und genießt Ansehen. Und schließlich hat er dem eigenen Haushalt noch einen Briefumschlag mit 3.000 Yen gestiftet. Wo bleibt dem Wähler da noch die Wahl? Die seit vier Jahrzehnten regierenden Liberaldemokraten sind mit den herkömmlichen Mitteln der Demokratie nicht zu besiegen. Wäre es bei den Wahlen um die Popularität des Spitzenkandidaten gegangen, gäbe es in Japan gar eine direkte Wahl des Staatschefs - Takako Doi hätte am Wochenende alle Chancen gehabt, das Rennen zu gewinnen. Doch so nicht. Neben dem Geld, über das die Liberaldemokraten verfügen und sich nicht scheuen, es auch direkt an die Wähler auszuteilen, entscheidet in Japan das giri, zu deutsch das Pflichtbewußtsein, ein kollektives System gegenseitiger Verantwortung, das Ehefrau und Ehemann, Arbeiter und Unternehmer, Abgeordnete und Wähler gleichermaßen erfaßt. Es reicht bis in die obersten Etagen der Eliten, wo selbst Topmanager nicht etwa frei über Macht und Autorität verfügen, sondern ihre Handlungen stets mit gleichwertigen Kräften in Einklang bringen müssen - in weit größerem Maße als im Westen. Das System schützt - vom Nachbarn bis zum Firmenchef - vor Machtmißbrauch, es gibt auch soziale Sicherheit, aber es hat eine entscheidende Schwäche: Es ist international nicht handlungsfähig.

Der kollektiven und ständigen Verantwortungsbereitschaft nach innen entspricht in Japan die kollektive Verantwortungslosigkeit nach außen. Zu dicht sind in Nippon die gesellschaftlich verpflichtenden Beziehungen gesteckt, als daß einfache Wähler, geschweige denn verantwortungsvolle Politiker Klarsicht über die Weltmeere hinaus bewahren könnten. So betreiben japanische Unternehmen eine ausbeuterische merkantilistische Wirtschaftspolitik mit dem Ausland, die sich um einen ausgewogenen internationalen Warenaustausch nur wenig bemüht. Das ist denen, die gestern auch über die Weltpolitik mitabstimmten, herzlich wenig bewußt. Takako Doi wollte sie eines Besseren belehren. Daß sie damit weiter kam als je eine Oppositionskraft zuvor, deutet zumindest auf eine Entwicklung der japanischen Zustände hin. Die können nicht ewig währen, denn Nippon ist Weltmacht und hat doch bisher nicht einmal die nationalen Interessen entdeckt.

Georg Blume

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