Grüne plädieren für Konföderationskurs

Der Bundeshauptausschuß der Grünen spricht sich trotz des Anschlußdruckes für eine Konföderation zweier selbstständiger Staaten aus / Soforthilfe für die DDR gefordert / Vorstandsvorlage scheitert aber mit der Forderung nach eigenständigem DDR-Beitritt in die EG  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Grünen haben ihre deutschlandpolitische Position bestimmt. Die Partei tritt ein für eine Konföderation „bei fortbestehender Eigenständigkeit der beiden Staaten“, das beschloß am Sonntag nach zähem Ringen der Bundeshauptausschuß, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Deutliche Niederlagen mußten sowohl die Vertreter einer Vereinigung als auch die Parteilinke hinnehmen, denen die Betonung der Zweistaatlichkeit nicht deutlich genug ausfiel. Eine Konföderation trage „historischen und kulturellen Bindungen“ Rechnung, ohne einen „nationalen Großstaat“ zu schaffen und passe gut in den Prozeß der europäischen Einigung im Rahmen der KSZE, heißt es im Beschluß, der sich auch gegen eine deutsche Neutralität auspricht.

Die Mehrheit des „kleinen Parteitags“ der Grünen sprach sich allerdings gegen eine eigenständige Mitgliedschaft der DDR in der EG aus, wie es der Parteivorstandssprecher Ralf Fücks (Grüner Aufbruch) und der Vorstandsbeisitzer Jürgen Maier vorgeschlagen hatten. Nur eine schnelle EG -Mitgliedschaft könne dem „berechtigten Drang“ der DDR -Bevölkerung nach besseren Lebensbedingugen „eine andere Perspektive bieten als die baldige Angliederung“, hieß es in dem Antrag, der Grundlage aller Abstimmungen war. Besonders die Linken, die die EG als undemokratisch und als Werkzeug der Monopole ablehnen, kritisierten diesen Punkt. Jürgen Maier, selbst zu den Linken zählend, verteidigte ihn aber als kleineres Übel. Der kleine Parteitag sprach sich außerdem für eine wirtschaftliche Soforthilfe für die DDR aus.

Die Parteilinke und die realpolitische Strömung argumentierten in der fast fünfstündigen Debatte gleichermaßen, daß ein Anschluß der DDR nicht mehr zu verhindern sei, zogen aber völlig unterschiedliche Schlüsse daraus. Während Realos deswegen forderten, die Grünen müßten nun den Vereinigungsprozeß mitgestalten, erklärten die Linken dies als „unglaubliche Illusion“ (Vorstandssprecherin Verena Krieger). Sie sehen die Chancen grüner Politik nur in der strikten Opposition gegen die Vereinigung mit nachdrücklichem Hinweis auf die sozialen und wirtschaftlichen Kosten. Konföderation jetzt zu fordern, werde als halbherzige Anpassung begriffen und bald von der Zeit überholt sein, erklärte der Beisitzer im Bundesvorstand und Mitglied des „Linken Forums“, Jürgen Reents. Jutta Ditfurth argumentierte, Ziel grüner Politik sei nie die Erreichung von Bevölkerungsmehrheiten um jeden Preis gewesen. Sie sieht die Zukunft der Partei bei jenen 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung, die gegen die brutale Einverleibung der DDR seien.

Die Realos warfen der Linken vor, mit ihrer Position werde die Partei „auf allerkleinste Größe reduziert“ (Vorstandssprecherin Ruth Hammerbacher); Frau Hammerbacher und der Vorstandssprecher der Bundestagsfraktion, Willi Hoss, hielten die Initiative einer verfassungsgebenden Versammlung beider Staaten für notwendig, mit dem die beiden „Risikogesellschaften“ angenähert werden könnten. Die Realos wollen das „gefährliche Gebilde“ eines vereinigten Deutschlands durch die europäische Einbindung „bändigen“ (Udo Knapp). Die Linken wiederum warfen den Realos vor, für sie sei der Beschluß nur „Durchgangsstation“.