Computer - Mutterbrust-Ersatz?

■ Zum Symposium „Ich Mensch - Du Maschine“ / Gespräch mit den InitiatorInnen

Vom 23.-25.2. findet in Bremen (Angestelltenkammer) das Symposion „Ich Mensch - Du Maschine“ statt. Untertitel: Nachdenken über eine leidenschaftliche Liebe. Finanziert von der Angestelltenkammer und der Landeszentrale für politische Bildung. Ulrich Scholz, freier Medienpädagoge u.a. bei der Gruppe WieDeo, Friedwart Rudel, freier Germanist und Philosoph und Regina Burbach, freie Journalistin aus Köln, haben das Konzept erarbeitet mit vier Schwerpunkten: Die Maschine außer uns, die Maschine mit uns, die Maschine in uns, die

Maschine als Prothese und Projektion.

taz: Wie habt ihr drei Menschen euch dem Thema Mensch -Maschine genähert?

U. Scholz: Ich bin vor zwei Jahren darauf gestoßen, nachdem ich mich 15 Jahre lang mit Science Fiction-Lektüre v.a. von Stanislaw Lem und den Gebrüdern Strugatzky, der kritischen Science Fiction, auseinandergesetzt habe. Und mit Androiden, künstlichen Menschen, mit Filmen, vor allem mit Blade Runner. Parallel dazu haben mich bisherige Veranstaltungen über Computerkultur immer aufgeregt, die ziemlich hoch gesponsert waren von der Industrie und auch dementsprechend euphorisch.

Eure Veranstaltung wird also pessimistisch?

U.S.: Es ist ein Versuch, dieses Thema Mensch-Maschine nicht nur als Phänomen zu betrachten, als den Umgang mit Maschinen an sich, sondern zu zeigen, inwieweit dieses Maschinelle vielleicht im Wesen des Menschen angelegt ist - durch seine Form der Ritualisierung von Verhalten, in der Konstruktion seiner Konstitution möglicherweise, daß er maschinenhaft ist, denkt, wie z.B. in dem Film „Maschinenträume“ von Peter Krieg, der auch gezeigt wird. Also: inwieweit ist der Mensch so was ähnliches wie die Geburtsstunde der Maschine, die lebt, inwieweit steht er in seiner Evolutionsstufe vor der Maschine, wie der Dinosaurier vor dem Menschen. Dann soll auch der Umgang mit Maschinen diskutiert werden: Wie weit gehen wir auf den Computer ein, so daß wir eben nicht die Computer beherrschen, sondern sie uns, durch ihre Logik.

Hattet Ihr unterschiedliche Positionen?

R.B.: Ja. Da, wo wir aus unterschiedlichen Interessensbereichen kommen. Ich habe z.B. ein Vorleben, das sehr mit Computern verhaftet war. Ich war Trainerin für Kommunikationssysteme im Büro. Und da habe ich an mir selber gemerkt, wie ma

schinell ich schon reagiert habe. Anfänglich meinst du immer, es ist was Schönes: Du sitzt am Computer, du bist fasziniert von dem, was er kann, von jeder neuen Situation, die du mit ihm lösen kannst. Und du meinst, du steuerst es selbst. Aber in Wirklichkeit gehst du ja immer auf das ein, was er dir vorgibt. Du kannst nichts Spontanes machen, er gibt dir Wege auf, fesselt dich.

Vorsicht Suchtgefahr?

R.B.: Ja, es hat starke Suchtzüge, aber das deutet man zuerst als Positivum. Erst beim Programmieren merkst du sehr stark, daß du ein Problem unbedingt lösen willst - und ob es drei Uhr nachts wird, ist dir irgendwann mal egal. Logisch, daß dir dann im Leben einiges abhanden kommt.

F.R.: Ich schätze das Verhältnis Mensch-Maschine noch anders ein: Wenn man sich Maschinen anvertraut, dann seh‘ ich das als einen Rückzug in Kindheitsphantasien, überspitzt gesagt: in Sehnsüchte, irgendwie aufgefangen zu werden, sich nicht mehr der Realität zu stellen, Hilfsmittel zu benutzen, eine direkte Befriedigung sich zu verschaffen, wie man sie mal hatte als Säugling.

Der Computer als Mutterbrust-Ersatz?

F.R.: Zum Beispiel. Indem er dich versorgt, rundrum. Und ich denke, das ist zum mindesten ein Wunsch, den man an diese Geräte hat.

R.B.: Und der sich nicht erfüllt, am Ende.

F.R.: Ja, aber da besteht ja auch das Gleiche im Säuglingsalter. Die Identitätsbildung setzt dann ein, wenn ein Wunsch nicht erfüllt wird, und da müßte man natürlich fragen, wie's konkret wird.

Was wünscht Ihr Euch von „Eurem“ Symposium?

F.R.: Ich wünsche mir vor allem kontroverse Diskussionen. Weil ich in der Einschätzung selbst nicht mehr viel weiter komme. Wir haben im Vorfeld ja versucht, uns sehr breit zu informieren, und ich bin jetzt an einem Punkt, von anderen was zu hören, was mich dann wieder anregt. Vielleicht so

gar, meine negative Sicht zu relativieren.

R.B.: Wir sind fast ein ganzes Jahr damit schwanger gegangen, und irgendwie habe ich jetzt das Gefühl, endlich die Diskussion anzufangen. Es wird einfach zu vieles an der Oberfläche behandelt, zum Beispiel die Diskussion über Frauen und Computer. Wenn heute einfach gesagt wird, gut, Frauen sollen sich der neuen Technik nicht versperrt entgegensetzen, da muß mal geäußert werden: Wer ist überhaupt angesprochen? Denn die meisten Frauen, die heute an Schreibmaschinen arbeiten, gehen morgen an den Bildschirm. Da hat sich nicht viel in Richtung Kreativität geändert.

U.S.: Ich wünsch‘ mir Erkenntnis. In einer Richtung, daß die Auseinandersetzung mit Mensch und Technik nicht mehr nur auf ja oder nein hinausläuft, sondern daß darüber fantasiert werden darf. Interview: clak