Zentralstelle voll im „regierungsfreien Raum“

■ SKP-Rechtsgutachten behauptet: Zuwanderer-Zentralstelle verfassungswidrig / Uhl: „Gutachten spielt keine Rolle“ / Schelte für Turnhallen-Lobbyisten Kröning

Bremens neue Sozialsenatorin, Sabine Uhl, nimmt es offensichtlich weder mit der Verfassung noch mit der Wahrheit besonders genau. Jedenfalls wenn es um die „Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger“ geht. Die Zentralstelle ist in ihrer bisherigen Konstruktion nämlich schlicht verfassungwidrig. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein 21seitiges Rechtsgutachten der Senatskommission für das Personalwesen. Als Konsequenz empfehlen die SKP-Juristen dem Senat, seinen Gründungsbeschluß für die Zentralstelle teilweise aufzuheben und die Geschäftsverteilung im Senat verfassungskonform neuzuorganisieren.

Exakt dieser Aufgabe ist der Senat, so Zentralstellen -Senatskommissarin Sabine Uhl, nicht nachgekommen, als er sich am 7. Februar erneut mit der Zentralstelle beschäftigt hat. Uhl gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Zentralstellen-Leiterin Dagmar Lill: „Das SKP-Gutachten hat in der Senatsdebatte keine Rolle gespielt.“

Der entsprechende Senatsbeschluß weist allerdings etwas anderes aus als das Gedächtnis seines dienstjüngsten Mitglieds: Ausdrücklich vermerkt das Protokoll unter Punkt vier: „Der Senat nimmt ausdrücklich den Hinweis von Herrn Senator Grobecker (Grobecker ist gleichzeitig oberster SKP -Chef, d. Red.) auf die sich aus der Landesverfassung ergebende Regelung für die Fachaufsicht (für die Zentralstelle) zur Kenntnis.“ Was Grobecker seinen SenatskollegInnen incl. Sabine Uhl mitzuteilen hatte, ist eine einfache Wahrheit: Auch in Bremen kann keine Behörde der Dienstaufsicht des Senats entzogen werden. Auch der Senat hat nicht das Recht, Behörden aus seiner Aufsichtsobhut zu entlassen und damit „regierungsfreie Räume schaffen“ (SKP-Gutachten). „Das wäre verfassungswidrig.“

Verfassungswidrig ist damit auch das bisherige Selbstverständnis der Zentralstelle „als weisungsunabhängiger“ Behörde. Das Gutachten verordnet dagegen eine „grundsätzlich unbeschränkte Kontrolle“ durch den Senat und „Beobachtung und Beeinflußung in fachlicher Hinsicht“. Im Geschäftsverteilungsplan des Senats sei diesem Gebot künftig durch die Bezeichnung der Zentalstelle „als nachgeordnete Dienststelle“ Rechnung zu tragen.

Solche harsch-hierarchischen Worte vermied Sabine Uhl bei ihrer ersten Pressekonferenz als Senatorin allerdings peinlich. (Nur gegenüber dem Senatskollegen Volker Kröning konnte Uhl mühsam ihre Verärgerung unterdrücken: Krönings Unmut über die unkoordinierte Umwidmung von Turnhallen zu Notunterkünften sei ihr „schwer verständlich“, und das wiederum sei „moderat ausgedrückt“.) Gegenüber der Zentralstelle ging es der neuen Senatorin dagegen um pressewirksam demonstrierte Loyalität mit der „nachgeordneten“ Dagmar Lill und um die Bitte an die JournalistInnen, „Irritationen der Vergangenheit über die Arbeit der Zentralstelle zu relativieren“. Sie selbst maße sich „kein Zugriffsrecht ihres Ressorts“ auf die Zentralstelle an. „Ich verstehe mich als eine Art Clearingstelle“, und auch der Senat habe sich inzwischen einhellig hinter Dagmar Lills Konzept zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit gestellt und ihr „angesichts der veränderten Situation nach dem 9. November zusätzlich neue Aufgaben zugewiesen“. Welche?

Darauf gab es gestern weder von Sabine Uhl noch von Dagmar Lill und auch nicht in einem 50 Seiten langen Konzeptpapier eine Antwort. Klar ist bislang nur, was die Zentralstelle nicht tun soll: Krisenmanagement bei der Integration von DDR-Übersiedlern übernehmen und „Feuerwehrfunktionen“ erfüllen. Ausführlich beschäftigt hat sich die Zentralstelle dafür mit der Plakat-Gestaltung gegen Fremdenfeindlichkeit. Fragen, ob „eher erklärt“ oder „eher an Gefühle appelliert“ werden soll, der „Terminierung, d.h. wann“ und seiner „Intensität, d.h., wie oft“ ein Plakat geklebt werden soll, können als geklärt gelten. Ergebnis übrigens: 90.000 Mark Kosten.

K.S.